Karte XXXIIII

Die Grandiosität

Thema als Kurzfassung:

Partnerschaft als "Heils-Weg". Partnerschaft als Hilfsmittel. Die spirituelle Sicht.
Der Partner ist mein Spiegel.

 

Eine Frau sitzt auf einem Berggipfel als wäre es ein Thron und schaut nach oben — zum Himmel. Sie scheint wenig interessiert zu sein an den Dingen der Erde. Rechts im Hintergrund des Bildes fließt — sehr tief unten — ein Fluss und zur Linken befinden sich hohe Berge. Die Symbolik ist eindeutig: Auf diesem Gipfel ist es einsam. Es ist kein Platz mehr neben ihr frei, auf den sich ein möglicher Partner setzen könnte und ihre Gefühle (dargestellt durch das Wasser des Flusses) hat sie hinter sich zurück gelassen. Auch das weiße Gewand und das weiße Kopftuch signalisieren die priesterhafte Reinheit und die Grandiosität ihres Weges. Hier oben ist alles klar und rein, aber auch — die Berge links sind schneebedeckt — ein wenig kalt.

Lord Leighton nannte sein Gemälde "The Spirit of the Summit" (Der Geist der Gipfelhöhe) und es ist das Ziel, das diese Frau mit mildem Blick anvisiert, noch höher hinauf zu gelangen.

Doch bevor auch wir uns verirren: Die Karte meint nicht den weltlichen Karriereweg eines Aufsichtsratsvorsitzenden (dann wäre ein Mann mit einem prächtigen Gewand hier abgebildet), sondern die Karte beschreibt den weiblichen Weg nach oben und diesen Weg nennt man den "spirituellen Weg". (Und weil auch hier wieder Missverständnisse drohen: Es ist nicht der spirituelle Weg einer Frau gemeint, sondern der Weg insgesamt ist weiblich, unabhängig davon, ob ihn Männer oder Frauen gehen.)

Es geht also um eine besondere Art der Höhe, eine besondere Art, nach oben zu kommen, um einen besonderen Weg. Es gibt viele Namen für diesen Weg: Entwicklungsweg, Erlösungsweg, meine spirituelle Entwicklung, Einweihungsweg usw.

Uns interessiert dieser Weg nur insoweit, als er das Thema der Partnerschaft berührt und hier finden wir besonders zwei Varianten, mit denen wir uns näher beschäftigen müssen:

Die erste und relativ harmlose Variante besteht darin, dass der eine Partner den anderen Partner zu dominieren versucht, indem er (als Chef der Beziehung) aus dem gemeinsamen Leben einen spirituellen Entwicklungsweg zusammenzimmert, in dem auch noch das harmloseste Alltagsgeschehen diesem hehren Zweck geopfert wird. So kann man im Urlaub nicht einfach ans Meer fahren und die Seele baumeln lassen, sondern man muss nach Epidauros, um dort (mindestens) eine Nacht im Asklepeion zu verbringen.

Natürlich, so wie in jeder anderen Beziehung auch, einer ist der Chef und bestimmt die Richtlinien der Politik und der Partnerschaft — und damit (mehr oder weniger offen und offensiv) wo es langgeht.

Wie gesagt, diese Variante ist harmlos: Sie kann mit einem "Jetzt ist genug! Schluss mit diesem Quatsch! Ich will endlich nach Mallorca!" entzaubert werden. Zur Not muss man eben allein fahren. (Eine Spielart dieser Variante haben wir in unserer Karte XXX bereits behandelt.)

Die zweite Variante hat mehr Tiefe und grenzt in der Partnerschaft den anderen nicht nur partiell, sondern fast vollständig aus — auch wenn es im Vordergrund anders aussehen mag.

Hier geht die Sicht nicht mehr auf den Partner, sondern insgesamt nach oben. Er darf zwar da sein, aber er wird angeschaut als eine Art Werkzeug oder ein Übungsinstrument zur Betrachtung des eigenen Schattens, des eigenen Unbewussten. Man weiß nämlich, der Partner ist "nur meine andere Seite" ("nur!") und damit wird er zu einer Art Fibel. Eine Fibel, in der ich nachlesen kann, wer ich bin. Er ist das Hilfsmittel zum Aufarbeiten meines Karmas. (Originalton: "Ich habe in meinen Inkarnations-Sitzungen herausgefunden, dass Frederike früher einmal mein Großinquisitor war und ich sein (ihr) Opfer. Jetzt ist sie wieder in meinem Leben, damit ich mich mit ihr versöhne und sie ihre Schuld begreift!") Wenn Derartiges wenigstens noch als ein Seelenbild verstanden würde, wäre es ja nur halb so schlimm, aber die meisten nehmen das für bare Münze und so wird der andere eines großen Teils seiner Identität beraubt und zu einem Mittel zum Zweck. Wenn solche Menschen sich dann trennen, verwenden sie die Ausrede: Es war eine tolle Beziehung, wir haben viel voneinander gelernt, haben uns aneinander abgearbeitet und uns alles gespiegel, was zu spiegeln war. Jetzt aber muss ich weitergehen auf meinem Entwicklungsweg!

Kurzum, der andere wird in ein geistiges Gerüst gezwängt, in seiner Eigenart eben nicht geachtet und als eine Art Buch betrachtet, das dann, wenn es ausgelesen ist, ins Regal zurückgestellt werden kann.

Insgesamt eine ziemlich gruselige Angelegenheit.

Das Originalgemälde stammt von dem englischen Künstler Frederic (Lord) Leighton (1830 - 1896). Titel des Gemäldes:The Spirit of the Summit (gemalt 1894). Es hängt heute in der Auckland City Art Gallery.

Wenn Du die Karte ziehst:

 

A: Das Problem

In deiner Beziehung steckt der Wurm!

Und zwar ein geistiger Wurm. Entweder du oder dein Partner oder ihr beide seid der Meinung, dass das Geistige haushoch über dem Körperlichen und Seelischen der Beziehung sich befinden müsse. (Und auch wenn du gerade in keiner Partnerschaft dich befindest, nagt dieser Wurm an dir.) Dieser Holzweg wird auch dadurch nicht stabiler (oder wahrer), dass dir die im Moment gängigen Bücher oder Seminarleiter pausenlos Geschichten von deinem "seelischen Dual" (oder deinem Seelenpartner) erzählen, den es zu finden gelte.

Allein schon der Gedanke, dass es so etwas gäbe, wie diesen einen Menschen, der durch die Jahrtausende hindurch auf seinem spirituell-kosmischen Weg dich zu jener verlorenen Einheit zurückführen könnte, ist in Wahrheit zutiefst beziehungszerstörend.

Der Wurm, der über diesen Holzweg kriecht, sondert nämlich ein Sekret ab und die Infektion, die durch dieses Sekret entsteht, heißt: Die GROSSE Liebe und die GROSSE Erfüllung. Darunter tut er es nicht — und du auch nicht! Jetzt kommt noch die bunte "wir-beide-und-unser-gemeinsamer-Entwicklungsweg"-Karotte ins Spiel und das ganze gewinnt endgültig Hollywood-Charakter.

Esoterisches Hollywood!

Anders gesagt: Beziehung wird dann zu einer Veranstaltung, die an ihrer eigenen Größe erstickt. Der Partner wird dermaßen überfrachtet mit etwas, was gar nicht zu ihm gehört, dass es keinen anderen Ausweg für ihn gibt, als zu fliehen. Tut er das nicht, tritt Plan B in Kraft: Du merkst, dass er diese große Fracht, die du ihm aufgebürdet hast, gar nicht tragen kann, und du gehst.

Und meditierst ein neues Dual herbei.

Als die Autoren vor 5 Jahren in Hamburg waren, hingen dort sehr große Plakate eines Seminarleiters mit dem Titel: "Finde dein seelisches Dual!" (Fünf Tage Seminar, bringe deine Decke mit). Im letzten Jahr hing ein neues Plakat von demselben Seminarleiter: "Das seelische Dual finden — und behalten!" (Fünf Tage Seminar, bringe deine Decke mit.) Wahrscheinlich wird in weiteren fünf Jahren dort hängen: "Trennung — aber diesmal ohne Schmerz!" (Fünf Tage, ohne Decke.) Das ist kein Scherz!

 

B: Die Lösung

Der erste Schritt, der dich in die Nähe einer Lösung führt, besteht darin, dass du siehst: Du bist im Moment gar nicht beziehungsfähig! Ohne Wenn, ohne Aber.

Ohne diesen Schritt wirst du weiterhin auf der Suche sein und die Länge der Bohlen auf deinem Weg wird endlos. Und du weißt vielleicht schon: Wer lange genug auf dem Holzweg war, der kehrt nicht mehr um.

Das Geheimnis des "esoterischen Weges" ist so banal, dass man vor Entsetzen kichern könnte: Der spirituelle Weg beginnt an einer Stelle, an der man einem anderen Menschen (oft einem Partner) zutiefst wehgetan hat. Und es versäumt hat, für diese Verletzung die Verantwortung zu übernehmen. Du musst dir also überlegen: Wann begann der Wurm in mir zu nisten? Und d. h., wann begann mein esoterischer Weg? (Oder: Wann begann er, zu einem hardcore-Weg zu werden? Ein bisschen Esoterik schadet ja niemandem). Um diesen Zeitabschnitt herum hast du etwas getan, was einem anderen sehr wehgetan hat (du hast jemanden leichtfertig verlassen, ein Kind abgetrieben, deine Kinder im Stich gelassen — um dich zu verwirklichen etc.). Zu dieser Stelle und zu diesem Menschen musst du — zuerst innerlich — noch einmal zurückgehen und du musst dir die Folgen dieses Tun ein erstes Mal aufrichtig zumuten. Und den Schmerz des anderen fühlen. Nur über diesen Weg kannst du langsam wieder in die Welt der Partner zurückkehren. Ohne den Wurm von der GROSSEN Liebe. Die gibt es für dich nicht (mehr). Du hattest sie vielleicht schon und hast es gar nicht gemerkt. Aber du hast — danach — immer noch die Chance für eine kleine Liebe. Also nutze sie!

 

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