Manfred Kyber
Küstenfeuer
Drama
Personen:
Sophus Kristiansen, Reeder.
Karin Kristiansen, seine Tochter.
Sven Fredriksen, Steuermann.
Knud Steenholdt, Kapitän.
Claus Jessen, Matrose.
Jens Rasmus, Matrose.
Bjerring, ein junger Matrose.
Erster Matrose.
Zweiter Matrose.
Dritter Matrose.
Carsten Brix.
Markus Levi.
Inge, alte Dienerin in Kristiansens Haus.
Der Hafenvogt.
Ein Schreiber.
Ein alter Matrose.
Erster Hafenarbeiter.
Zweiter Hafenarbeiter.
Ein Matrose.
Dienerschaft,
Matrosen,
Hafenarbeiter.
Der Klabautermann.
Ort der Handlung: Kopenhagen.
Zeit der Handlung: Regierungszeit Frederiks III. 1660 nach dem
Friedensschluss mit Schweden.
Der I. Akt spielt auf der Reede vor Kristiansens Haus,
der II. Akt im Prunkzimmer,
der III. Akt im Arbeitszimmer von Kristiansens Haus.
ERSTER AKT
(Szene: Auf der Reede. Im Hintergrund ankert das Schiff ÑAnna Kathrin", auf das die letzten Waren verladen werden. Rechts das reiche, in dänischer Renaissance aufgeführte Reederhaus Kristiansens, links ein etwas unscheinbares Haus, in dessen Erdgeschoß sich eine Taverne befindet. Vor dem Eingang zu dieser ein Tisch und Bänke. Vorne rechts, an Kristiansens Haus anschließend, ein Torbogen mit einer Steinbank. In der Mitte der Szene lagern aufgestapelte Warenballen, Taubündel usw. Die Mannschaft der ÑAnna Kathrin" ist teils an Bord, teils sitzt sie mit anderen Matrosen vor der Taverne. Hafenarbeiter eilen geschäftig von Bord der ,Anna Kathrin" hin und her. Markus Levi überwacht das Beladen. Es ist am Spätnachmittag. Alle szenischen Angaben gelten rechts und links vom Zuschauer.)
EIN MATROSE: (vor der Taverne, singt)
Die Raaen hoch und die Segel an! An Steuerbord steht der Klabautermann
Hoh-ho-hoh! Die Möven schreien, es wogt die See. Ade, Matrosenliebchen,
Ade!
MATROSEN: (singen)
Hoh-ho-hoh!
Ho-hoh! ho-hoh! ho-hoh!
EIN MATROSE:
Nun trockne die Tränen, du dänisch Kind, und wünsch
uns zur Wiederkehr guten Wind, hoh-ho-hoh! Und bete, daß uns vor
Bug und Gallion noch einmal die Feuer von Skagen lohn.
MATROSEN:
Hohho-hoh!
Ho-hoh ho-hoh! ho-hoh!
EIN MATROSE:
Den Anker hervor und die Taue gehißt
und Dänemarks Flagge hoch oben am Mast.
Hoh-ho-hoh!
Stoßt ab vom Ufer! In Gottes Hand -
mein dänisches Mädchen, mein dänisches Land!
MATROSEN:
Hoh-ho-hoh!
Ho-hoh ! ho-hoh! ho-hoh!
CLAUS JESSEN: (kommt von Bord und trifft auf der Ladebrücke mit
einem Hafenarbeiter zusammen)
Das Schiff liegt schief. Ihr dürft nicht weiter laden!
ERSTER HAFENARBEITER:
Was fällt Euch ein? Wer hat's Euch angesagt? Noch liegt nicht
alle Ladung auf den Planken.
CLAUS JESSEN:
Macht keine Flausen! Schleppt die Last zurück! Umladen müssen
wir, das Schiff liegt schief. Habt Ihr verstanden?
ERSTER HAFENARBEITER:
Mann, seid Ihr des Teufels? Schlaft Euren Rausch auf einem Strohsack
aus und laßt mich ungeschoren gehn.
CLAUS JESSEN:
Zurück!
ERSTER HAFENARBEITER:
Den Weg gebt frei! Soll's meine Faust Euch lehren?
(Sie ringen miteinander. Andere Hafenarbeiter drängen herzu. Auch
die Matrosen vor der Taverne werden aufmerksam)
ERSTER MATROSE: (steht von der Bank an der Taverne auf und streift die
Hemdsärmel auf)
Man sucht dort Händel, wie es scheint.
ZWEITER MATROSE:
Oho!
Ins Handgemenge kommen sie. Faßt zu!
EIN ALTER MATROSE:
Das ist der zweite Streit an diesem Tage, der Teufel scheint ja heute
los im Hafen. Laßt ab zu raufen! Schämt euch - Seemannsvolk!
Der Krieg mit Schweden liegt euch noch im Blute. Unheil genug hat er ins
Land gebracht.
(Die Matrosen und Hafenarbeiter geraten ins Handgemenge)
ERSTER MATROSE:
Schlagt zu! Packt sie! Verdammte Lastenschlepper! Packesel, wollt ihr
murren gegen uns?
JENS RASMUS:
Nimm doch Vernunft an. Frag erst, was es gibt.
ZWEITER HAFENARBEITER:
Nein, tränkt's ihm ein! Was schmäht er unsern Stand?
ZWEITER MATROSE:
Vorsehn! Ein Messer blitzt!
DRITTER MATROSE: (auf dem Schiff)
Mann über Bord!
(Alles läuft am Ufer zusammen. Die Matrosen vom Schiff drängen
über die Ladebrücke)
HAFENARBEITER UND MATROSEN:
Helft! Rettet!
DER ALTE MATROSE:
Werft ein Tau aus!
JENS RASMUS:
Dort hinab!
ZWEITER HAFENARBEITER:
Wo ist er?
JENS RASMUS:
Seht ihr ihn?
ERSTER MATROSE:
Er kommt schon hoch.
Claus Jessen klettert wie die beste Katze.
ERSTER HAFENARBEITER:
Auch Krallen hat er wie ein Katertier.
Pfui, ohne Faust sein Messer gleich zu ziehn!
SVEN FREDRIKSEN: (drängt sich vom Schiff aus durch die Menge)
Gebt Platz doch, Mannsvolk, seid ihr toll geworden?
Ist wer verletzt?
JENS RASMUS:
Claus Jessen fiel ins Wasser.
Vielmehr - ein Streit - es warf ihn wer hinein.
Er zog sein Messer.
SVEN FREDRIKSEN:
Er ist allzuschnell. Ungünst'ge Vorbedeutung unsrer Fahrt kann
manchem Manne solch ein Vorfall gelten.
(Claus Jessen klettert ans Ufer)
JENS RASMUS:
Das mein ich auch. Auch so schon gärt es seltsam im Schiffsvolk.
Allen lastet's wie ein Alp auf ihrer Brust.
KNUD STEENHOLDT: (kommt vom Schiff)
Was geht hier vor?
SVEN FREDRIKSEN:
Ein Streit.
Nichts weiter von Belang. Es ist erledigt.
KNUD STEENHOLDT: (tritt auf Claus Jessen zu)
Du fingst die Händel an? Was war der Grund?
CLAUS JESSEN:
Verzeiht, ich tat es nicht aus Lust am Raufen. Bei Gott, mir war nach
Ränken nicht zumut. Ich weiß nicht, wie es kam. Mit einem Male
war's mir, als läge unsre Ladung schlecht. Umladen müßten
wir. Ich dacht' es Euch, sobald ich Euch gesehn, sogleich zu melden. Da
kam ich mit dem Mann in Streit. Seht zu und überzeugt Euch selbst
- das Schiff liegt schief.
KNUD STEENHOLDT:
Narrt Euch ein Wahn? Mann, habt Ihr Eure Augen? Ich sehe nichts. Der
Vogt hat unsere Ladung, wie das Gesetz es will, sich angesehn. Kein Seemann
gibt Euch anderen Bescheid. Was wollt Ihr mehr noch, Mann?
CLAUS JESSEN: (hartnäckig)
Das Schiff liegt schief.
MATROSEN: (in Aufregung)
Das Schiff liegt schief, jawohl, das Schiff liegt schief!
KNUD STEENHOLDT:
Ihr seid wohl toll? Wer hat hier zu gebieten? Ins Eisen jeden, der
mir widerspricht!
SVEN FREDRIKSEN:
Knud Steenholdt, seid nicht hart mit Euren Leuten. Kein Meutervolk
ist's, das Ihr vor Euch seht; und keine feige Furcht zwingt diese Herzen.
Ein Etwas hat sie alle angepackt, das wie ein Alp mit kalten Geisterhänden
sich selbst auf eine rauhe Seele senkt und ihr, dem Nebel gleich, den Atem
raubt. Sucht Ihr es zu ergründen.
CLAUS JESSEN:
Steuermann!
Steht Ihr uns bei! Bei Gott, das Schiff liegt schief.
MATROSEN:
Bei Gott, das Schiff liegt schief!
MARKUS LEVI: (springt angstvoll vor)
Das Schiff liegt grad!
(Einige Hafenarbeiter und Matrosen lachen)
ERSTER MATROSE:
Seht, welch ein Mann!
ZWEITER MATROSE:
Jud Markus Levi lebe!
DRITTER MATROSE:
Seid Ihr der Meinung, hochgelehrter Herr, muß man sich beugen
Eurer weisen Kenntnis.
MARKUS LEVI:
Das Schiff liegt grade. Nu, habt ihr gehört? Was sagt der Kapitän?
(zu den Hafenarbeitern gewandt)
Marsch! Weiter laden!
ERSTER MATROSE:
Den Teufel auch! Das hüpft ja wie ein Affe! Spannt auf das Tanzseil!
MARKUS LEVI:
Was habt Ihr gesagt? Ich stehe hier an meines Herren Stelle und hab
Respekt zu fordern.
ZWEITER MATROSE:
Halt dein Maul!
KNUD STEENHOLDT:
Seid still! Und Ihr, Herr Markus, wollt verzeihen, des Schiffes Ladung
ist nicht Eures Amts. Ihr überwacht die Ware, nicht das Stauen.
(Markus Levi will ihn unterbrechen)
Geduld -
MARKUS LEVI:
Gerechter Gott, Herr Kapitän, tut doch nicht gar so grausam mit
mir reden, ich will ja doch nur Euer aller Bestes, daß Ihr noch zeitig
kommt auf hohe See - vor Mitternacht noch, lautet Eure Weisung.
ERSTER MATROSE:
Man muß dich mit verladen, Markus Levi!
MARKUS LEVI:
Respekt, Respekt -
KNUD STEENHOLDT
Wie meine Weisung lautet, Herr Markus Levi, weiß ich selbst zu
sagen. Geduldet Euch, noch zeitig ist die Stunde. Das Schiffsvolk murrt,
es soll sein Recht ihm werden. Geht, ruft den Hafenvogt!
MARKUS LEVI:
Dann will ich gehn! Dann will ich selber rufen den Herrn Vogt -
in höchster Eile -
ZWEITER MATROSE:
Nein, das laßt Ihr bleiben! Was Ihr könnt, kann ich auch
und zwar noch besser. Ich bring den Vogt Euch, wenn ich mir auch kaum die
Lunge aus dem Halse laufen werde.
ERSTER MATROSE:
Wir wollen nämlich Euch nicht gerne missen, weil Eure Gegenwart
uns hoch beglückt! Auch herrscht bei uns nur eine einz'ge Meinung,
daß Ihr dem Vogt mit Reden und Gewäsch so lange in den Ohren
liegt, bis er die Ladung leicht mit trüben Augen sieht. Dergleichen
soll sich oft ereignet haben.
MARKUS LEVI:
Herr Kapitän, ist das Respekt? Was sagt Ihr?
(Knud Steenholdt wendet sich achselzuckend ab und der Mannschaft zu)
SVEN FREDRIKSEN:
Schiffsangelegenheit und nicht die Eure.
MARKUS LEVI:
Gerechter Gott, ist das Gerechtigkeit?!
KNUD STEENHOLDT:
Nun, Leute, noch ein offnes Wort zu euch. Des Streites Frage mag der
Vogt entscheiden. Ich wende mich an euch in andrem Sinn - Denn wenn wie
uns durch lange Monde lang ein schwanker Kiel nur vom Verderben trennt,
ist einer Schicksalskamerad dem andern. Mag unsre Ladung liegen, wie sie
will, schief oder grad - ein andres ist der Grund. Sprecht ehrlich aus,
was frißt euch an der Seele?
CLAUS JESSEN:
Geh, rede du!
ERSTER MATROSE:
Nein, du.
DRITTER MATROSE:
Jens Rasmus rede!
(Jens Rasmus wird von den andern vorgeschoben)
JENS RASMUS:
Knud Steenholdt, um es ehrlich euch zu sagen, ein seltsam Traumgesicht
ist's, das uns quält. Man soll nicht mit dem Schicksal spielen, heißt
es' und Wunderzeichen senden uns die Sterne.
KNUD STEENHOLDT:
Nun, und was soll das?
JENS RASMUS:
Bjerring, der Matrose, hat solch ein Traumgesicht gehabt heut' Nacht.
KNUD STEENHOLDT:
Der junge Bjerring, den ihr Träumer nennt?
JENS RASMUS:
Ja, Kapitän.
MARKUS LEVI:
Ha, ha, es ist zum Lachen.
Er heißt schon Träumer. Wunder, wenn er träumt!
SVEN FREDRIKSEN:
Er zählt zu jenen wundersamen Leuten, die oft des Nordens düstre
Küste zeugt. Man sagt von ihnen, daß sie Fernes sehen.
MARKUS LEVI:
Viel besser wär's, die Säcke zu verladen.
KNUD STEENHOLDT:
Und was ist es und was hat ihm geträumt?
(Bjerring, ein schmächtiger Mensch mit bleichem, krankhaftem Gesicht,
in das wirre Haarsträhnen herabhängen, tritt vor)
JENS RASMUS:
Das mag er euch am besten selber sagen. Er ist der Sprache kundiger,
als wir, die ungern reden - Bjerring, geh, fang an! Siehst du es noch?
BJERRING:
Ich glaube es zu sehn.
So wie heut Nacht, nur schwächer glühn die Feuer, der Sturm
hat sich gelegt, es schweigt die See.
Und stille ist's am Strande, totenstill -
nur ferne rauscht die Brandung an den Sand und klagend, klagend klingt
ein Mövenschrei .....
(Die Matrosen drängen sich aufgeregt um ihn herum. Indem öffnet
sich die Türe des Rheederhauses und Sophus Kristiansen, Karin Kristiansen,
Inge und Carsten Brix kommen, von Dienern gefolgt, die Treppe hinab. Alle
grüßen.)
DIENER:
Platz unserm Herren, Platz!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was geht hier vor? Wird nicht verladen, Markus Levi, redet?
MARKUS LEVI:
Gerechter Gott, Sophus Kristiansen, helft mir! Man hat geträumt,
man schwatzt, man holt den Vogt, man sagt, das Schiff liegt schief, ach,
unsre Ladung! Erbarmt Euch mein und meiner schwachen Kräfte. Man respektiert
mich nicht mehr.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Redet klarer.
MARKUS LEVI:
Gerechter Gott, ist das nicht klar genug?!
KNUD STEENHOLDT:
Wir haben nach dem Hafenvogt geschickt. Es wurden Stimmen laut, das
Schiff läg' schief, es wär' nicht gut verstaut.
CARSTEN BRIX: (halblaut)
Verdammtes Volk!
(Karin Kristiansen und Sven Fredriksen tauschen Blicke aus, während
Carsten Brix, der es bemerkt, jede Bewegung des Mädchens eifersüchtig
überwacht. Sophus Kristiansen schweigt nachdenklich)
CARSTEN BRIX: (zu Karin Kristiansen)
Vielliebes Fräulein, geht Ihr nicht hinein? Nicht ist für
Schiffsvolk Eure zarte Schönheit.
KARIN KRISTIANSEN:
Herr Carsten Brix, Ihr fragt mich wunderlich. Bin ich wie jene nicht
der Küste Kind?
MARKUS LEVI: (zu Sophus Kristiansen)
Das Schiff liegt grade. Laßt doch weiter laden. Seht selber hin,
erhabner Herr!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Schon gut. Wann kommt der Hafenvogt?
KNUD STEENHOLDT:
Es ist geschickt nach ihm bereits vor einer ganzen Weile.
SOPHUS KRISTIANSEN: (setzt sich auf einen Warenballen)
Dann wollen wir bis dahin uns gedulden.
MARKUS LEVI:
Gerechter Gott, das Ganze ist ja Narrheit, es ist ja nichts, das Traumbild
eines Träumers.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wer faselt da von Träumen?
MATROSEN: (erregt)
Bjerring, rede!
KNUD STEENHOLDT:
Dem Manne ist ein Traumgesicht erschienen, das unserer Mannschaft nicht
geheuer scheint. Grad als Ihr kamt, sollt' er es uns berichten.
SOPHUS KRISTIANSEN: (spöttisch)
Du bist's - ein Knabe, den mein Schiffsvolk fürchtet? Erzähle
doch, was hat dir denn geträumt?
MARKUS LEVI: (tritt eilig an Sophus Kristiansen heran)
Sophus Kristiansen, laßt den Burschen schweigen, nur Unruh fördert
er zu Tag.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Nein, rede! Jetzt will ich's wissen. Rede!
SVEN FREDRIKSEN:
Bjerring, sprich.
(Bjerring tritt vor. Die Matrosen umringen ihn wieder im Halbkreis)
CARSTEN BRIX: (Zu Karin Kristiansen)
Darf ich Euch jetzt nicht raten? Geht hinein. Was frommt ein solcher
Unsinn Euren Ohren?
KARIN KRISTIANSEN:
Und wenn es mir erwünscht ist, hier zu bleiben? Ich bat Euch nicht,
Berater mir zu sein. Ihr maßt Euch Rechte an!
CARSTEN BRIX:
Wie Euch beliebt.
BJERRING:
Mir träumte heut', ich war wie einst zu Hause in meiner Heimat
fernem Küstenland ......
SOPHUS KRISTIANSEN: (scharf)
Wo bist du her?
BJERRING:
Von Skagen - Euch zu dienen.
SOPHUS KRISTIANSEN: (stützt den Kopf in die Hand)
Von Skagen ........
MARKUS LEVI: (Ieise)
Träumt Ihr auch am hellen Tage? Nehmt Euch in Acht, was geht Euch
Skagen an?
BJERRING:
Ich war wie einst in meinem Heimathaus
und meine Mutter saß und spann am Rocken.
Ich war bei ihr, doch könntí sie mich nicht sehen.
Ich weiß nicht, wie es war - doch war ich drin.
Und in der Stube stand das alte Schiff,
das mir mein Vater einst vor Jahren schnitzte,
mit Segel, Tau und Takelwerk bespannt.
Mein Spielzeug war's, als ich ein Kind gewesen.
Und jetzt, jetzt streicht der Mutter müde Hand
liebkosend über Bug und Kiel und Planken
und nestelt an der Fahne Dänemarks.
Ein Spielzeug ist es nur - und doch - ihr Mann
hat es geschnitzt, ihr Jung damit gespielt.
Schon lang ist's her. Mein Vater kam nicht wieder.
ÑVerschollen" steht im Kirchenbuch zu lesen.
Und dann - wer fragt nach einer Mutter Weh?
Seit alter Zeit ist's Schifferbrauch gewesen:
verschellt der Vater - geht der Sohn in See!
(Bewegung unter den Matrosen)
Und dann, dann bricht ein Sturm los, Gott im Himmel!
Ein Sturm, von tausend Teufeln angefacht,
wie keinen ich gekannt an Skagens Küste.
Es bebt die Luft, mit Brüllen, Heulen, Pfeifen
tobt er ums Haus und zerrt die Fensterläden.
Im Rauchfang bricht sich's, weint und schreit und
als sei die ganze Hölle im Kamin!
(zetert),
Und meine Mutter faltet ihre Hände,
die welken Hände, die ich oft geküßt,
und murmelt still: sei denen draußen gnädig!
Und eine Träne fällt in ihren Schoß.
_ _ _
Da springt ein Fenster auf. Huh, wie das pfeift!
Kalt, eiskalt schlägt mir's ins Gesicht entgegen!
Die Scheibe bricht in Scherben. Scharfe Splitter
verstreut der Wind auf meiner Mutter Rocken.
Ich seh hinaus. Es wankt und wogt die See.
Ein Schiff kämpft mit dem Sturm. Die dän'sche Flagg
zerrissen an zerfetztem Takelwerk.
Der Fockmast bricht, die Ketten hör' ich stöhnen,
die Taue ächzen, und am Bugspriet schäumt's.
Das Segel reißt! Gott sei den Seelen gnädig!
Um Tod und Leben geht's bei Skagenshorn.
Da springt ein Mann an Bord - habt ihr's gesehen?
Aschfahl im Antlitz. Grau ist sein Gewand.
Er springt an Bord, er faßt das Steuerruder,
er dreht es, wendet -
(Große Erregung unter den Matrosen)
EINIGE MATROSEN:
Der Klabautermann!
BJERRING:
Es stöhnt das Schiff, der neuen Leitung folgend.
Am Bug spritzt's auf, der Kiel zerstößt die Flut.
Die Mannschaft betet, betet auf den Knieen:
Herrgott, erbarm Dich unsrer Seelen. Amen.
Nur einer, der kein Mensch ist, steht am Steuer,
nur einer weiß des Schiffes Kurs zu sagen,
nur einer weiß es, von dem niemand weiß.
Mit Geisterfaust packt er das Steuer an.
Mit Gott in Sturm, mit Gott in Wind und Wetter!
Da loht ein Feuer!! Siehst du's, Steuermann?!!
Dem Feuer aus dem Weg! Das Steuer wenden!
Gott sei gedankt, daß dieses Feuer glüht!
Und dann - ein Stoß - und Trümmer, Trümmer krachen
und eine Nacht, durch die kein Auge sieht!
Und dann, am Strande, sah ich Mann für Mann, seltsame Mannschaft,
seltsam lautlos landen. Gesichter leichenweiß, mit Totenaugen
- - Euch Alle sah ich! Und in Euerer Mitte mich selbst!!
(Lautlose Stille)
KARIN KRISTIANSEN:
Allmächtiger!
(Der Hafenvogt, sein Schreiber und der zweite Matrose kommen)
DER SCHREIBER:
Der Hafenvogt!
(Der Hafenvogt tritt mit gespreizten Schritten und affektierter Würde
vor, der Schreiber folgt ihm in gebeugter Haltung. Beide tragen große
Perücken)
DER HAFENVOGT:
Gott grüß Euch!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Gott zum Gruß, ehrwürd'ge Herren!
MARKUS LEVI:
Dort liegt das Schiff. Nicht wahr, das Schiff liegt grad ?
DER HAFENVOGT:
Ei, ei, das also ist der casus belli. Da will ich in der Nähe
gleich beschaun.
CARSTEN BRIX:
Alles in Ordnung, Vogt, Ihr könnt mir's glauben.
(Der Hafenvogt und der Schreiber verneigen sich)
DER HAFENVOGT:
Oh, oh, Herr Carsten Brix, welch eine Freude! Ich kam gerad an Kristiansborg
vorbei, Euer Herr Vater standen am Portale, erwartend unsres Königs
Majestät - und grüßten huldvoll mich.
(Er beschreibt den Gruß mit einer wedelnden Handbewegung. Dann
verneigt er sich nochmals, der Schreiber folgt seinem Beispiel)
Welch eine Ehre! Allein - die Form gebietet's - Ihr verzeiht. Ist doch
die Form das Wesen aller Dinge und ohne Formen fällt sogar - ein Amt!
CARSTEN BRIX: (freundlich)
Ihr seid ein Philosoph, Herr Vogt!
DER HAFENVOGT:
Oh, nein. Bescheiden ist nur meine schwache Kenntnis, allein ich schmeichle
mir .....
(er wendet sich hochmütig an die Mannschaft)
Wo ist das Schiff?
MARKUS LEVI:
Erlaubt, ich führe Euch.
KNUD STEENHOLDT:
Nein, Ihr könnt bleiben! An Bord genügt der Kapitän
allein.
MARKUS LEVI:
Herr Vogt!?
DER HAFENVOGT:
Ja, das ist eine schwere Frage
Was schreibt die Form uns vor in diesem Fall? Daß man erkunde,
ob mit Fug und Recht ....
SOPHUS KRISTIANSEN: (unterbricht ihn)
Herr Markus Levi ist mein Sachverwalter.
DER HAFENVOGT:
So, das genügt. Natürlich. Heißen Dank!
Herr Sachverwalter, wenn es Euch genehm ist -
MARKUS LEVI:
Zu dienen, Herr.
DER HAFENVOGT:
Noch einen Augenblick.
(Er wendet sich an den Schreiber)
Wie heißt das Schiff? Schlagt in dem Buche nach.
Von größter Wichtigkeit ist dieser Umstand.
(Pause; Der Schreiber sucht im Buche)
ERSTER MATROSE:
Es steht am Schiff, was wühlt er in den Büchern!
DER HAFENVOGT: (zurechtweisend)
Was wißt Ihr davon, Mann? Die Form ist alles.
Wie heißt das Schiff?
DER SCHREIBER:
Anna Kathrin.
DER HAFENVOGT:
Die Heimat?
DER SCHREIBER:
Zu Kopenhagen.
DER HAFENVOGT:
Weiter. Und die Ladung?
MARKUS LEVI: (verhindert den Schreiber am Lesen)
Die Ladung ist geheim. Vor so viel Volk ist das gewagt - wir haben's
schon gemeldet. Man schreit nicht seine Kostbarkeiten aus. Das ist Geschäft,
Geschäft, es braucht doch nur die hohe Obrigkeit darum zu wissen.
(Er verneigt sich vor dem Hafenvogt)
DER HAFENVOGT:
Ist das im Buch vermerkt?
DER SCHREIBER:
Ja.
DER HAFENVOGT:
Dann ist's gut. Anna - Kathrin - - Kopenhagen.
(Der Hafenvogt geht, gefolgt vom Schreiber, mit würdevoll gespreizten
Schritten auf das Schiff. Knud Steenholdt begleitet ihn. Markus Levi tänzelt
neben ihm her und dienert)
MARKUS LEVI:
Wollt Ihr geruhen, gnädiger Herr Vogt, wollt selber sehen mit
erhabnen Augen. Das Schiff liegt grade. Narrheit ist's, nichts weiter,
s' ist Meuterei im Schiffsvolk .....
MATROSEN:
Niemand meutert!
ZWEITER MATROSE:
Jud Markus Levi, hüte deine Zunge!
CARSTEN BRIX:
Genug ist, denk' ich, mit dem Volk verhandelt. Sophus Kristiansen,
habt Ihr noch Geduld? Auch meine Ladung trägt des Schiffes Boden.
Wenn Ihr so zögert, ist mir nicht gedient.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ihr kommt zu Eurem Recht, Herr Carsten Brix, noch zeitig ist es.
MARKUS LEVI: (schreit vom Schiff)
Nu', gerechter Gott! Was sagen der Herr Vogt? Das Schiff liegt grade!
(Große Erregung unter den Matrosen)
ZWEITER MATROSE:
Sophus Kristiansen, gebt uns nur drei Tage zur Ausfahrt Aufschub, bis
das Mondlicht wechselt.
JENS RASMUS:
Das Schicksal sprach und Unheil ist im Zuge.
MATROSEN:
Sophus Kristiansen, Unheil, Unheil, hört Ihr?!
CARSTEN BRIX:
Kristiansen, macht ein Ende. Ruhig, Leute! Mir scheint, die Frechheit
treiben sie zu weit. Ihr seid der Reeder, Ihr habt zu gebieten. Was duldet
Ihr, daß solch ein Volk Euch trotzt? Und alles das, weil so ein toller
Knabe das Schicksal künden will. Ein Träumer ist's, ein Narr!
(Er geht drohend auf Bjerring zu. Murren unter den Matrosen)
SVEN FREDRIKSEN:
Wir haben Narren nicht an Bord. Gebt Ruhe, Herr, und laßt den
Knaben gehen. Kein Tollhaus ist ein Schiff.
CARSTEN BRIX:
Wer wagt zu reden? Ich spreche nicht mit deinesgleichen, Mann. Unwürdig
gilt es meinem hohen Stande.
SVEN FREDRIKSEN:
Dünkst du dich mehr als ich, gezierter Affe, der nie mit nerv'ger
Faust ein Steuer zwang?!
JENS RASMUS:
Besinnt Euch, Fredriksen.
CARSTEN BRIX:
Wart, Unverschämter, ich tränk's dir ein.
(Er geht mit entblößtem Degen auf Sven Fredriksen zu)
KARIN KRISTIANSEN: (lehnt sich an Inge)
Um Gott!
SVEN FREDRIKSEN: (ringt Carsten Brix den Degen aus der Hand und schlägt
ihm ins Gesicht)
Den Degen weg! Wir sind an derlei Spielzeug nicht gewöhnt.
(Diener und Matrosen laufen herzu)
STIMMEN:
Trennt sie!
KARIN KRISTIANSEN:
Um Gotteswillen!
(Der Hafenvogt, der Schreiber, Knud Steenholdt und Markus Levi kommen
eilends vom Schiff)
DER HAFENVOGT:
Seid Ihr toll? An solchem hohen Herrn sich zu vergreifen! Ins Eisen
mit dem Mann. Nein, solch ein Frevel!
(Diener springen herzu und stellen sich um Sven Fredriksen)
KNUD STEENHOLDT:
Sven Fredriksen, ward Ihr von Sinnen?
SVEN FREDRIKSEN:
Nein.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Er trotzt auch noch!
DER HAFENVOGT:
Das wollen wir besorgen. Marsch ins Verließ! Dergleichen kennen
wir.
KNUD STEENHOLDT:
Er ist als Steuermann bei uns gedungen. Wir müssen fort in See.
DER HAFENVOGT:
Es tut mir leid, ich kann Euch nicht in dieser Sache dienen. Dann sucht
Euch einen andern Steuermann. Zu groß ist das Vergehen -
ERSTER MATROSE:
Höllingswirtschaft!
Ein andrer Geist war's vor dem Krieg mit Schweden.
DER HAFENVOGT:
Wer spricht da? Hier hat niemand was zu sagen. Seid Ihr bereit? Dann
fort mit ihm!
CARSTEN BRIX:
Herr Vogt, vergönnt Ihr wohl auch mir ein Wort zu reden? Dem Mann
von edlem Blut ziemt Edelmut. Ich kenne keine Feinde - gebt ihn frei!
MARKUS LEVI:
Hoch, hoch, Herr Carsten! Gott, wie groß gehandelt!
(Die Matrosen scharen sich um Sven Fredriksen)
DER HAFENVOGT:
Wenn Ihr befehlt - -
CARSTEN BRIX:
Ich bitt' Euch drum, - Herr Vogt. Ich wünsche Schiff und Mannschaft
gute Fahrt.
Soll sie Ersatz noch schaffen? Es ist spät. Ich wehr' ihm nicht,
Anna Kathrin zu steuern.
SOPHUS KRISTIANSEN: (zu Karin)
Mein Kind, schon allzu lange weilst du hier, wo Zank und Streitlust
rohen Volkes toben. Nicht wissen konnt' ich, welch ein Geist heut' weht.
Geh jetzt ins Haus.
KARIN KRISTIANSEN:
Wie Ihr befehlt, mein Vater.
(Sie steigt mit Inge die Treppe hinauf, wirft noch einen Blick auf
Sven Fredriksen und verschwindet dann mit Inge im Haus)
MARKUS LEVI:
Güt'ger Herr Vogt, darf man nun weiterladen?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ja, kommt zur Sache, Herr, ich bitte Euch. Das Schiff muß heut'
in See. Ich bin gebunden, den Kaufherrn muß ich Red und Antwort stehen,
zu heute sagte ich die Abfahrt zu.
CARSTEN BRIX:
Ja, allzulange, scheint mir, ward gezögert. Ich bitt' Euch, schnell!
DER HAFENVOGT:
Zu dienen, hoher Herr! Gebt her das Buch. Verzeiht, die Form verlangt
es.
(Carsten Brix wendet sich ärgerlich ab)
DER HAFENVOGT: (nimmt dem Schreiber das Buch ab und klappt es
gewichtig auf)
Zur Abfahrt seeklar. In des Königs Namen. Anna - Kathrin - - Kopenhagen.
(Er klappt das Buch geräuschvoll zu)
Und nun gehabt Euch wohl, verehrte Herren!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Habt Dank für Eure Müh, Herr Hafenvogt. Wir werden gerne
uns erkenntlich zeigen. Besucht uns bald!
CARSTEN BRIX:
Ich schließe mich Euch an, denselben Weg hab ich.
DER HAFENVOGT:
Zu hohe Ehre!
SOPHUS KRISTIANSEN: (zu Carsten Brix)
Ihr kommt doch heute Abend?
CARSTEN BRIX:
Ja, ich komme. Versäumt nicht, Eure Tochter mir zu grüßen.
(Carsten Brix, der Hafenvogt und der Schreiber gehen ab)
MARKUS LEVI: (zu den Hafenarbeitern)
Ans Werk, ihr Leute, weiterladen, eilt euch!
(Die Hafenarbeiter gehn an die Arbeit. Die Matrosen zerstreuen sich,
leise und erregt miteinander verhandelnd)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Knud Steenholdt, gute Fahrt und gutes Glück. Auf Wiedersehn in
Kopenhagens Hafen!
KNUD STEENHOLDT:
Ein Wort noch, Herr. Bleibt Ihr bei dem Bescheide? Wenn düstre
Ahnung eine Mannschaft lähmt, ist's übel, auch ein gutes Schiff
zu steuern. Kostbare Ware liegt für Euch an Bord. Sophus Kristiansen,
Ihr habt Gold geladen!
SOPHUS KRISTIANSEN: (schrickt zusammen)
Seid leise, hört Ihr! Habt ein Einsehn, Mann. Nicht beugen kann
ich mich beliebígen Träumen und halten muß ich, was ich zugesagt.
Nein, laßt mich gehn. Es bleibt bei Eurer Weisung. Vor Mitternacht
Anna Kathrin in See. Lebt wohl, Knud Steenholdt.
KNUD STEENHOLDT: (verneigt sich)
Wie es Euch beliebt!
(Sophus Kristiansen geht mit der Dienerschaft ins Haus. Im Hintergrunde
laden die Hafenarbeiter unter Markus Levis Aufsicht, vereinzelt gehen Matrosen
auf und ab)
SVEN FREDRIKSEN: (Zu Knud Steenholdt)
Ihr habt ihn noch gefragt?
KNUD STEENHOLDT:
Versprechen ist Versprechen, und kein Däne bricht sein Wort.
DER ALTE MATROSE:
Ja, Seemannsvolk hat Seemannsehre.
SVEN FREDRIKSEN:
Also, wir laufen aus?
KNUD STEENHOLDT: (nickt)
Vor Mitternacht in See.
DER ALTE MATROSE:
Euch schützen Gott und alle guten Geister. Denn weht vom Mast
die Flagge Dänemarks, ist's echtes Schiffsvolk, das die See durchsegelt.
SVEN FREDRIKSEN:
Ein Alp liegt auf dem Schiffe.
KNUD STEENHOLDT:
Nun, ich denke,
Ihr habt von Glück zu sagen, Steuermann.
SVEN FREDRIKSEN:
Wie man es auffaßt.
DER ALTE MATROSE:
Nein, Herr Kapitän. Der junge Fant war, scheint mir, gut beraten,
daß er ein solches Höflingsspiel vermied. Mit heiler Haut nicht
ginge er vom Platze,
Das sah ich Eurem eignen Schiffsvolk an.
KNUD STEENHOLDT:
Verhüt' es Gott! Das wäre Meuterei!
DER ALTE MATROSE:
Nennt's, wie es Euch beliebt. Noch ist der Däne an solche Possenrechte
nicht gewöhnt.
KNUD STEENHOLDT:
lhr schlugt aus Notwehr, nicht?
SVEN FREDRIKSEN:
Ich schlug aus Wut.
DER ALTE MATROSE:
Recht habt Ihr und Gott segne ihm den Schlag!
KNUD STEENHOLDT:
lhr seid ein seltsam Wesen, Steuermann, und oft schon schient Ihr mir
ein menschlich Rätsel.
SVEN FREDRIKSEN: (nachdenklich)
Ihr ratet's niemals. Laßt das Raten sein.
DER ALTE MATROSE:
Darf ich Euch bitten, etwas noch zu weilen?
Ein kleiner Rest noch ist in unsrem Krug,
verdenkt's nicht einem alten Kameraden.
KNUD STEENHOLDT:
Wenn's Euch beliebt, mit Dank!
SVEN FREDRIKSEN:
Die Zeit wird lange,
wenn man Gedanken statt der Worte pflegt.
(Sie setzen sich an den Tisch vor der Taverne)
KNUD STEENHOLDT:
Ihr denkt wohl noch an Träume? Laßt es fahren!
Dem taugt kein Träumen, wer am Steuer steht!
Denkt an den Kurs, an Takelwerk und Taue -
das Schiff ist Eure Braut, das Meer die Heimat.
Klar Kopf und Herz verlangt der Dienst auf See.
SVEN FREDRIKSEN:
Was haltet Ihr davon?
DER ALTE MATROSE:
Von Träumen, meint Ihr?
SVEN FREDRIKSEN:
Von Ahnungen, von Träumen - wie Ihr wollt Ihr seid doch lang genug
auf See gefahren und wißt, daß Kiel und Segel nicht allein
für Heil und Unheil bürgen.
DER ALTE MATROSE:
Wie man's nimmt Es ist ein Rätsel um des Schiffes Seele. Das stärkste
Tau schon riß bei leichtem Wind und in der Sturmnacht rettet oft
ein Faden.
(Es wird allmählich dunkler)
Ist's Zufall; ist's ein Stern an Gottes Himmel, der hoch auf Bord und
Planken niederschaut? Bestimmung mag es sein, doch keiner weiß, in
welchem Buch Bestimmungen geschrieben. Man ahnt's vielleicht -
SVEN FREDRIKSEN:
Ihr meint, man kann es ahnen?
DER ALTE MATROSE:
Seht, Mann, es gibt so allerlei Geschichten, die man des Abends gern
im Haus erzählt, wenn Fraun und Mädchen an den Röcken spinnen
Magís nun erfunden sein, geträumt - ein Etwas, Ein Etwas ist in allen
diesen Dingen, wobei auch mir das rauhe Herz noch schlägt. Gewalten
gibt's -wer mag sie näher nennen - die treiben oft mit uns ein seltsam
Spiel. Mit fremden Fingern greift es in die Taue ..... ich hab es selbst
bei Nacht an Bord gesehn. Und glaubt es mir, auf See fährt manches
Segel, wo keines Menschen Hand das Steuer lenkt.
KNUD STEENHOLDT:
Spinnstubenmärchen! Nicht für ungut nehmt es. Das mag für
Dirnen taugen, nicht für Mannsvolk.
DER ALTE MATROSE:
Dem Wind entgegen! Selbst hab ich's gesehen. Mit vollen Segeln! Und
kein Mann an Bord!
KNUD STEENHOLDT:
Mag sein. Auch ich sah manche langen Jahre nichts, als das Meer am
Bug des Schiffes schäumen und wunderlich schien oft mir diese Welt.
Nur - packt ein Ahnen mich mit kalten Händen, dann werf ich's über
Bord. Ich kann's nicht ändern!
DER ALTE MATROSE:
Da habt Ihr Recht - allein das Rätsel bleibt und Geister gibt's
- Gott sei uns allen gnädig!
SVEN FREDRIKSEN:
Seid Ihr verdungen?
DER ALTE MATROSE:
Ja, auf der ÑRoskilde". In sieben Tagen gehen wir in See. Ein gutes
Schiff ist's.
KNUD STEENHOLDT:
Also fahrt Ihr wieder, trotzdem das Meer Euch nicht geheuer dünkte?
DER ALTE MATROSE:
Knud Steenholdt, bleibt denn Ihr im Hafen liegen? Seht, Seemannsvolk
gehört hinaus auf See. Der Vater tut's, der Sohn, die Enkelkinder.
Wer einmal Teer riecht, ankert nicht an Land.
KNUD STEENHOLDT:
Da habt Ihr Recht.
SVEN FREDRIKSEN:
Wenn ihn nicht Stärkres fesselt.
DER ALTE MATROSE:
Seht, Steuermann, Ihr fragtet mich nach Träumen. Ja, Träume
gibt's - was aber hilft es uns? Wir alle werden einst auf letzter Fahrt
wer weiß an welchem Ufer angetrieben. Und in der Heimat wird kein
Zeuge sein von uns, als nur ein Name und ein Stein. Ein schlichtes Kreuz
darauf - auf See geblieben! . . .
(Pause. Alle sehen nachdenklich vor sich hin.)
MARKUS LEVI: (kommt)
Verladen ist die Last, Herr Kapitän. Wollt Ihr so gütig sein
und ruft die Mannschaft. Sí ist an der Zeit. Die Zeit ist gar so wichtig.
KNUD STEENHOLDT:
Ja, es ist an der Zeit. In Gottes Namen.
MARKUS LEVI:
Ich geh hinein zu melden. Euer Diener.
(Er geht ins Haus. Der Wirt kommt aus der Taverne, räumt den Tisch
ab und schließt die Tür. Knud Steenholdt, Sven Fredriksen und
der alte Matrose stehen auf)
KNUD STEENHOLDT:
Bleibt nicht zu lange, Fredriksen, Ihr habt, die Wache heute an Bord.
SVEN FREDRIKSEN:
Ich komme zeitig.
KNUD STEENHOLDT: (reicht dem alten Matrosen die Hand)
Lebt wohl und gute Fahrt auf der Roskilde!
DER ALTE MATROSE:
Gehabt Euch wohl, Knud Steenholdt.
KNUD STEENHOLDT: (auf dem Wege zum Schiff zu den Hafenarbeitern)
Geht nach Hause. Die Arbeit ist getan.
(Die Hafenarbeiter gehn ab. Knud Steenholdt geht aufs Schiff)
DER ALTE MATROSE:
Auch ich will gehn.
Es ist schon spät. Früh auf ist meine Regel.
(Man hört die Schiffsglocke läuten. Matrosen kommen von der
Seite der Szene und gehen aufs Schiff. Es ist dunkel geworden)
DER ALTE MATROSE:
Und denkt an Träume nicht. Denkt, Ihr seid jung. Ihr könnt
noch manches andre tun, als träumen. Solch eine Faust, wie Ihr sie
heute schlugt, kann mehr, als eine bleiche Ahnung meistern. Habt nur den
Willen, Euer ist die Kraft. Nun gute Nacht - was soll ich weiter sagen?
Wir stehen überall in Gottes Hand. S' sind böse Zeiten jetzt
auf See und Land, und nicht geheuer ist's zu Kopenhagen.
(Sie reichen sich die Hand. Der alte Matrose geht ab. Sven Fredriksen
setzt sich nieder und sieht versunken vor sich hin. Es wird ganz dunkel.
Am Mast der ÑAnna Kathrin" wird eine rote Laterne hochgezogen - Karin Kristiansen
und Inge kommen leise und vorsichtig die Treppe hinab)
INGE:
Sven Fredriksen . . .
SVEN FREDRIKSEN: (springt auf)
Du, Karin!
INGE:
Nicht doch.
KARIN KRISTIANSEN:
Hier! Nur kurze Weile komme ich.
SVEN FREDRIKSEN:
Mein Alles! Gott sei's gedankt! Nicht trog mich meine Hoffnung, noch
einmal vor dem Scheiden sel'gen Trost von warmen Mädchenlippen dir
zu küssen.
(Umarmung)
INGE:
Man könnt' Euch sehn. Setzt Euch auf jene Bank, wo Euch am Tor
willkommne Schatten bergen, Seid auf der Hut. Ich bleib und halte Wacht.
KARIN KRISTIANSEN:
Ich dank' dir, Inge.
(Karin Kristiansen und Sven Fredriksen setzen sich auf die Bank vor
dem Brunnen. Inge bleibt hinter dem Torbogen zurück und hält
nach dem Schiff und dem Hause Ausschau)
SVEN FREDRIKSEN:
Karin, komm zu mir! Die letzte Stunde ist's, die uns beschieden, und
langes Leid bringt uns das Morgengraun. Komm, küsse mich, der Küsse
will ich denken in Sturm und Wetter, wie an ein Gebet. Hab keine Furcht,
mein Kind, ein Engel schützt mich. Du bist's! Und brüllt am Bug
die Wut der Wogen und kracht das Schiff -
KARIN:
Um Gotteswillen, Sven!
SVEN:
Dann will ich Deinen holden Namen stammeln und Gott, der Liebe schuf
und Liebe wollte, erhören wird es Gott, als gält' es ihm!
KARIN:
Ja, Gott wird Liebe gnädig hüten, Liebling, doch Gott versuchen,
Sven, ist kein Gebet.
SVEN:
Wie meinst du das?
KARIN:
Sei mir nicht böse, du. Mich quält's, als ob ich dich nicht
wiedersähe. Und soll ich deiner Seele Engel sein, dann hör auf
mich und wart nicht auf Gefahren, wo du in Not der Liebsten Namen rufst.
Erbarm dich dein und mein! Geh nicht in See.
SVEN:
Ich bin gedungen, Karin, segelfertig liegt unser Schiff im Hafen. Soll
es fahren in Wind und Wetter ohne Steuermann?
KARIN:
Ich denk' an dich. Dich hab ich lieb, nicht andre.
Mehr als für einer Liebe solche Glut
ist Raum und Kraft in keinem Mädchenherzen.
Ein Unrecht ist's vielleicht, daß ich so denke.
Dann ist die Liebe Unrecht - mag sie's sein!
Für dieses Unrecht laß ich gern mich richten.
SVEN:
Ist das ein Unrecht -nenn das Beten Sünde! Klein Karin, komm,
ich will dein Richter sein!
(Er küßt sie)
KARIN:
Ach, Himmelsseligkeit ist solche Strafe!
SVEN:
Und nun sei nicht mehr bang. Die Kinderseele
laß dir von düstern Schatten nicht umwehn.
Du siehst doch sonst so klar, bist sonst so tapfer -
du denkst an des Matrosen Traum, nicht wahr?
KARIN:
Ja, eisig kalt hat mir's ans Herz gegriffen. Ich sah leibhaftig, was
er nur geträumt. Ein Unheil droht. Oh, lasse dich erbitten, erhör
mich, Liebster, gehe nicht in See. Der Liebe frommes Flehn ist Gottes Weisung.
SVEN: (schüttelt den Kopf)
Kein Gott kann eines Mannes Worte lösen.
KARIN:
Gilt Mannswort mehr, als eines Mädchens Liebe? Ihr Männer
seid ein wunderlich Geschlecht.
(Sie stützt den Kopf in die Hand und weint)
SVEN:
Nein, Karin, weine nicht, ich kehre wieder! Noch eh' das Mondlicht
dreimal sich gewechselt, fährt unser Schiff den blauen Sund herauf
und wirft den Anker aus zu Kopenhagen.
KARIN:
Oh, niemals, niemals wird das sein!
SVEN:
Die Fahne von Dänemark geht hoch am Mast empor und von dem Fenster
deiner Mädchenkammer kannst du von weitem an des Schiffes Bug ÑAnna
Kathrin" in goldnen Lettern lesen!
KARIN:
Und kommt das Schiff und du bist nicht an Bord?
SVEN:
Wo sollt' ich anders, als am Steuer stehen? Nicht meine erste Fahrt
ist's, die ich mache. Um deinetwillen soll's die letzte sein.
KARIN:
Qual bringt der Abschied, neue Leiden bringt uns, wenn je du wiederkehrst,
das Wiedersehn. Nie wird mein Vater unsre Liebe segnen.
SVEN:
Wenn Gott sie segnet, braucht es keine Menschen. Du fliehst mit mir.
KARIN:
Ach, wird sich jemals wenden das Leid in Lust und ein barmherz'ger
Friede uns beide einen in der Liebe Heim?! Wohin denn fliehen? Weit reicht
meines Vaters Gewalt auf allen Inseln Dänemarks.
SVEN:
Es steht ein Haus an Schwedens fels'ger Küste, von hoher Düne
schaut es weit in See, und sieht, wie wild am Strand die Wogen branden
und wie ein Bub am Ufer Netze spannt. Es ist nur eine arme Fischerhütte,
wo tief das Dach auf niedre Fenster sinkt, doch wilde Rosen klettern an
den Mauern und hüllen Armut ein in Blütenduft. Und wie auf blauer
Flut die Segel eilen, da sinkt das Netz dem Buben aus der Hand, mit offenen
Augen träumt er in die Weite. Wär' ich erst groß, denkt
er, und wär' auf See, ich holt' ein holdes Glück in meine Hütte.
Das Glück liegt draußen, draußen liegt das Glück!
Und ferne winkt der Gefion grüne Insel .......
(Karin sieht mit seligem Lächeln ins Weite)
SVEN: (kniet vor ihr nieder)
Dann ward der Bub ein Mann und fuhr hinaus und lernt' auf mancher Fahrt,
ein Schiff zu steuern, und dann, klein Karin, dann - fand er das Glück!
Er fand sein Glück in Kopenhagens Hafen!
KARIN:
Mein Liebster, du!
SVEN:
Darf er das Glück nicht bringen, dahin, wo er als Kind davon geträumt?
Willst du am kleinen, niedern Fenster sitzen, des alten Hauses jugendschöne
Fee, der in den Schoß die wilden Rosen ranken? Ein Märchenreich
ist's, wo dein Goldhaar weht, und eine Hütte wird zum Königssaal!
KARIN:
Gott, ist das schön! .....
(Pause)
Sven, bitte bleibe knieen. Ist's dir zu schwer nicht? Ach, dann halte
still. Ein alter Brauch ist's bei verliebten Mädchen. Nur halte still
- sonst ist der Zauber aus. Auch darfst du mich die ganze Zeit nicht küssen,
so schwer dir's sein mag und so schwer - mir's ist! Ins Haar will ich dir
einen Goldring flechten, behüten soll er dich und hüte ihn. Erst
wenn wir einst dein Heimathaus betreten, durchs Fenster über wilde
Rosen schaun, will ich ihn selbst aus deinen Haaren lösen. Schau her,
ein Goldring ist's und ein Saphir, und ÑGott mit dir" ist in den Ring gegraben.
Und nun sei still, jetzt fängt der Zauber an. Und daß die Zeit
dir nicht zu lange werde, sag' ich beim Flechten dir ein kleines Lied.
Es paßt auf dich. Ich weiß nicht, wer's mich lehrte.
SVEN:
Und käm' der Tod, ich hielte still!!
KARIN:
Hör zu.
(sie flicht ihm den Ring ins Haar)
Mein Liebster ist ein Steuermann, er steuert übers Meer. Und weil mein Liebster steuern kann, so kommt er wieder her. Und wenn mein Liebster wiederkehrt und wirfst den Anker aus, dann schenk ich ihm, wenn er's begehrt, mein Herze und mein Haus, Denn nur wenn einer steuern kann, gibt man sein Herz in Hut. Mein Liebster ist ein Steuermann - - wie könnt' er's sonst so gut?!
INGE: (kommt)
Verzeiht, mein Fräulein, doch es drängt die Stunde. Nehmt
Abschied. Es ist an der Zeit.
KARIN:
So früh schon?!
Es war so schön! Muß denn geschieden sein?
INGE:
Mein Fräulein, nein, Ihr dürft nicht länger weilen.
Vergebt es mir, es ist nicht meine Schuld. Man könnt' Euch sehn, entdecken
-
KARIN: (stürzt Sven Fredriksen weinend an die Brust)
Ach, mein Himmel!
SVEN:
Sei stark, mein Kind. Wir sind in Gottes Hand und über See und
Land stehn seine Sterne. Ich kehre wieder und an Schwedens Strand wirst
du den Ring aus meinen Haaren lösen. Leb wohl! und bet' für uns!
KARIN:
Ja, ich will beten! Was können Mädchenhände andres tun?
Sven, muß es wirklich sein?
SVEN:
Es muß.
KARIN:
Dann geh! Behüt' dich Gott! Und Gott erbarm' sich unser!
(Umarmung. Pause. Dann reißt sich Sven Fredriksen los und eilt
aufs Schiff. Karin Kristiansen sinkt auf der Bank zusammen und stützt
das Gesicht weinend in die Hände)
KARIN:
Ach, beten nur?! So schwach sind Mädchenhände!
INGE:
Vielliebes Fräulein, kommt, ich bitt' Euch herzlich.
(Karin sieht mit großen Augen ins Leere. Dann steht sie auf)
KARIN: (entschlossen)
Nein, gute Tat ist besser, als Gebet!
(Karin Kristiansen und Inge verschwinden leise im Haus. In weiter Ferne
hört man verhallend eine Stimme singen)
In Gottes Hand, mein dänisches Mädchen, mein dänisches
Land! Hoh-ho-hoh! Ho-hoh! ho-hoh! ho-hoh! ..........
(Vorhang)
ZWEITER AKT
(Szene: Am späten Abend desselben Tages. Prunkzimmer in Kristiansens Haus. In der Mitte ein großer Tisch, auf dem brennende Kandelaber stehen. Wein und Erfrischungen werden aufgetragen. Rechts im Vordergrund ein kleiner Tisch mit Karten, Papieren etc. Rechts ein Fenster, in der Mitte zwei Flügeltüren. Von der Decke herab hängen, mit der Längsseite nach dem Zuschauerraum, zwei große Schiffsmodelle. - Inge macht sich am Tisch zu schaffen, während Karin Kristiansen am Fenster steht und hinaussieht)
INGE:
Gut Wind und Wetter gibt's, vielliebes Fräulein, Die Nacht wird
schön.
KARIN KRISTIANSEN:
Nur mir wird sie zur Qual! Noch seh ich, einem dunklen Schatten gleich,
das Schiff, das meine Liebe trägt, im Hafen nur kurze Zeit noch -
und der Anker klirrt, die Taue ächzen und es stößt vom
Ufer. Und der Laterne rotes Licht am Mast, das ich durch Tränen zitternd
flammen sehe, verschwindet weit ins bodenlose Dunkel ....
INGE:
Mein Fräulein, faßt Euch. Liebe hat zu leiden - das ist
ein alt Gesetz, wenn Liebe liebt. Denkt nicht daran! Denkt an die sel'ge
Stunde, wenn er Euch wieder in die Arme schießt, mit holdem Wort
die Sorge Euch vergeltend. Die Mädchen sollen träumen. Träumt!
KARIN KRISTIANSEN:
Dich dünkt's, als wär' das alles unverständ'ge Klage.
Doch mußt' es sein? Warum?!
INGE:
Das ist das Leben, heut so und morgen so im bunten Reihn. Man muß
es nehmen, wie's die Stunden lügen. Nicht ändert sich die Welt.
Ergebt Euch drein.
KARIN KRISTIANSEN:
Ach, du hast nie geliebt!
INGE:
Wer sagt Euch das? Meint Ihr, ich wäre stets so alt gewesen? Ein
häßlich Weib, nach dem kein junger Fant den Hals sich ausreckt,
um ihr nachzugaffen, wie's gern bei Euch ein schöner Knabe tut?
(Karin Kristiansen senkt den Kopf)
INGE:
Meint Ihr, ich war nur immer gut genug, um einem armen, arg verliebten
Ding der ersten Trennung Grillen zu vertreiben?
KARIN KRISTIANSEN:
Und bliebst doch unvermählt?
INGE:
Nicht alle frein.
Man freit nicht, Fräulein, mit gebrochnem Herzen.
KARIN KRISTIANSEN:
Inge, verzeih, ich wollte dich nicht kränken. Sei wieder gut und
hab mit mir Geduld, sei mir nicht böse, du -
INGE:
Wie sollt' ich zürnen? Ihr seid ein Kind und seid verliebt dazu.
Der Abschied lastet noch auf Eurer Seele und Scheiden schmerzt, wer weiß
es mehr als ich!
KARIN KRISTIANSEN:
Du schiedest auch?
INGE:
Es muß geschieden sein, so oder so, das ist der Lauf der Dinge.
Doch denkt ans Wiedersehn, denn Ihr seid jung - der beste Trost, den man
vermag zu geben! Denn Jugend schwankt nur, keine Jugend bricht, der Jugend
stehn des Lebens Türen offen.
KARIN KRISTIANSEN:
Ja, tröste mich! Wie einst in Kindertagen leg ich des Herzens
Gram in deine Hand.
INGE:
Gram ist beim Alter sicher aufgehoben, bei Jugend Lust. Kehrt Euer
Liebster wieder, benötigt Ihr mich nicht mehr.
KARIN KRISTIANSEN:
Kehrt er wieder - Ja, wer mir sagte, daß er wiederkehrt!
INGE:
Vertraut dem Himmel, Fräulein, Eure Sorgen. Es steht die Liebe
in des Himmels Huld.
KARIN KRISTIANSEN:
Ja, beten will ich zu den ew'gen Sternen, sie mögen gnädig
leiten seine Fahrt, vor Wind und Wetter hüten Schiff und Mann. Dem
Himmel ist es nichts und mir ist's alles!
INGE:
Ja, betet, Kind, der Name seines Liebsten ist eines Mädchens rechtes
Nachtgebet.
KARIN KRISTIANSEN:
Glaubst du an Träume, Inge, sag mir's offen. Es ist ein Traum,
der meine Seele quält.
INGE:
Wohl gibt es Träume, doch wer kann sie deuten? Ihr fragt mich
allzu viel, mein armes Kind. Das Leben lockt - wollt Ihr an Träume
denken?
KARIN KRISTIANSEN:
Mich lockt kein Leben, Inge.
INGE:
Was denn sonst?! Das Dasein streut Euch Rosen in den Schoß. Erfüllt
von Schönheit, Liebe, Hoffnung, Jugend, kommt Ihr gerad aus Eures
Liebsten Arm. Noch klingt sein Schmeichelwort in Euren Ohren noch brennt
sein heißer Kuß auf Eurem Mund - und da beliebt Euch das Gespenstersehen?
Ihr seid ein Närrchen!
KARIN KRISTIANSEN:
Inge, sei nicht böse. Sag, kann ein Traum der Wahrheit Bote sein?
INGE:
Ihr seid erregt, der Aufruhr heut im Hafen liegt Euch im Blut, Ihr
müßt zur Ruhe gehn.
KARIN KRISTIANSEN:
Ich kann nicht schlafen, nein, ich kann nicht schlafen, zu keiner Ruhe
ladet solche Nacht. Und schlief ich ein, ich sähe nichts als Wogen
und Sturm und Wetter und ein Schiff auf See. Ein Spielball ist's im Meere!
Rettet, rettet! Ein Grauen faßt mich. Gott erbarm dich mein!
INGE:
Mein Fräulein, hundert Schiffe gehn auf See. Auf jeder Fracht
hat eine einen Liebsten und irgendwo schlägt jedem Mann ein Herz und
mag er bis ans Weltenende steuern. Kommt, geht in Eure Kammer, ihn und
Euch empfehlt dem Himmel und vergeßt der Sorgen.
KARIN KRISTIANSEN:
Vergäß ich das, vergäße ich mein Herz! Nein,
Inge, sag, was kann ein Traum bedeuten? Mir drückt's die Seele. Klarheit
will ich haben, Sag alles, was du weißt zu sagen.
INGE:
Kind, Ich weiß von nichts, als daß Ihr schlafen geht. Mein
Fräulein, seid ein wenig doch besonnen. Ihr zählt schon sechzehn
Jahr. Ein hohes Alter! Seid Ihr die einz'ge denn in Dänemark, die
jemand lieb hat, der hinaus gesegelt? Und ist der Mann, dem Euer Herz gehört,
ein Fant, ein Schwächling, der kein Steuer meistert,
der bleich vor Angst auf jede Wolke schaut?
Da kenn' ich, Fräulein, Euren Liebsten besser!
Er ist ein Steuermann!
KARIN KRISTIANSEN: (verklärt)
Ja - ja - das ist er!!
(Eilt ans Fenster und sieht hinaus. Versonnen)
Mein Liebster ist ein Steuermann,
er steuert übers Meer -
Und wenn mein Liebster wiederkehrt
(Hält plötzlich inne und starrt ins Leere)
INGE:
Ein guter Spruch, könnt Ihr ihn weiter sagen?
KARIN KRISTIANSEN:
Was war dein Liebster, sag -
INGE:
Ein Seemann, Kind, wie's alle sind in Kopenhagens Hafen, so heut wie
damals. Art läßt nicht von Art.
KARIN KRISTIANSEN:
Und dann -
INGE:
Danach muß man nicht fragen, Mädchen, Geschehenes wird niemals
ungeschehn.
KARIN KRISTIANSEN:
Nein, sag' mir's, nicht aus müß'ger Neugier frag ich. Was
war's mit ihm?
INGE:
Mein Kind, er blieb auf See.
KARIN KRISTIANSEN: (sinkt auf einen Stuhl und faltet die Hände)
Er blieb auf See! Barmherz'ger Gott im Himmel! Ach, sollte mir kein
Wiedersehen winken, laß mich mit ihm an seinem Steuer sinken! Oh,
nähm' er mich an Bord!
INGE:
Ihr seid nicht klug. Ein Schiff braucht Mannsvolk, keine jungen Dirnen.
KARIN KRISTIANSEN:
Was weiß ich viel von eines Schiffes Brauch? Ich weiß nur
eins: ein liebeleeres Herz braucht nicht in See, es kann im Hafen sterben.
INGE:
Ich höre Schritte, Fräulein, wollt Euch fassen. Wer denkt
an Sterben, wenn's zu leben gilt?
(Durch die Tür rechts tritt Sophus Kristiansen herein)
KARIN KRISTIANSEN: (steht auf)
Mein Vater!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Gott zum Gruß, mein liebes Kind! Bist du nicht wohl?
(Karin Kristiansen senkt den Kopf)
INGE:
Das Fräulein ist ermüdet.
SOPHUS KRISTIANSEN: (setzt sich an den kleinen Tisch rechts)
Ich hätte gern etwas mit dir besprochen, allein - bist du ermüdet,
geh zu Bett. Es eilt nicht sehr.
KARIN KRISTIANSEN:
Mein Vater, wollt' verzeihen. Gewährt mir eine Bitte, eh' ich
geh. Dann will ich gerne mich zur Ruhe legen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Gewiß, mein Kind, doch ernst schaun deine Augen, ich hoffe nicht,
daß Schweres dich bewegt. Was ist's?
KARIN KRISTIANSEN: (kniet vor ihm)
Mein Vater, hört mich, habt ein Einsehn! Laßt nur drei Tage,
bis das Mondlicht wechselt, Anna Kathrin im Hafen. Gleiche Ahnung wie heut
die Mannschaft fühl' ich.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wie mein Kind? Du sprichst im Fieber, weißt nicht, was du sagst.
Seit wann denn sind Geschäfte Mädchensache? Ein Mädchen
fragt nach Spielen, Putz und Tand.
KARIN KRISTIANSEN:
Laßt sie nicht fahren, habt Erbarmen, Vater. Dem Schiff droht
Unheil
SOPHUS KRISTIANSEN: (erregt)
Was liegt dir daran? Ganz unbegreiflich dünkt mich deine Sorge.
INGE:
Mein Fräulein, geht zur Ruh, es ist das Fieber.
KARIN KRISTIANSEN:
Kein Fieber ist's, das aus mir redet, Vater. Und sollt' ich sorgen
nicht um Euer Gut? Denkt, Eure Ware liegt an Bord des Schiffes, Glück
oder Unglück Euch gilt seine Fahrt.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Mein liebes Kind, sorg dich nicht meinetwegen. Nicht meine Ladung trägt
des Schiffes Kiel. Ich kenne keinen Vorteil als die Fracht und keinen Schaden,
als Verlust des Schiffes.
KARIN KRISTIANSEN:
Doch der ist schwer genug. Die Zeit ist böse,
seit jener unglücksel'ge Krieg entfacht,
der unserm Land das Recht an Schweden raubte.
(verträumt)
Und Schweden, sagt man, ist ein schönes Land
SOPHUS KRISTIANSEN:
Nun, Mädchen, denkst du gar an Staatsaktionen! Und träumst
von Ländern, die du nie gesehn! Was weißt denn du von Schweden?
KARIN KRISTIANSEN:
Nichts, mein Vater. Allein seit jener Zeit stand schwerer Kummer an
jedem Tag Euch an der Stirn geschrieben. Mich sorgt, Ihr tut der Arbeit
gar zu viel. Laßt ruhn die Schiffahrt, wollt nicht weiter wagen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Mein Kind, ich muß. Und sei nicht bang um mich und denk an ander
Ding, als an Geschäfte. Es ziemt nicht einem kleinen Mädchenkopf,
sich in so schwere Fragen einzulassen. Wer Schiffe hat, läßt
Schiffe seewärts fahren. Ein Schiff, das ankert, ist sein Holz nicht
wert. Und wer Gewinn will, muß zu wagen lernen - der Kaufherr seine
Ware, ich mein Schiff. Seetüchtig ist's, dann gut. Der Rest ist Glück,
denn Wind und Wellen kann man nicht gebieten.
KARIN KRISTIANSEN:
Dann denkt der Mannschaft.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Es ist ihr Beruf.
Man stirbt zu Hause, wie im Kampf der Wellen.
KARIN KRISTIANSEN:
Man kann zu Haus auch sterben. Das ist wahr . . .
INGE:
Mein Fräulein, wollt Ihr nicht zur Ruhe gehen? Ihr seid ja nun
belehrt. Regt Euch nicht auf. Ihr seid ermüdet -
KARIN KRISTIANSEN: (steht auf)
Nein, ich bin nicht müde.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Du bist nun wohl beruhigt, liebes Kind, und gehst in deine Kammer ohne
Sorge?
(Karin Kristiansen schweigt)
INGE:
Mein Fräuleinó
KARIN KRISTIANSEN:
Vater, ja, ich seh es ein. Verträumte Ahnung einer Mädchenseele
hat mit Geschäften nichts gemein. Verzeiht!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Das Recht der Frau ist's, zarter zu empfinden, ihr Zauber ist's, kein
Fehler, den man rügt. Du warst erregt. Nun wirst du Ruhe finden. Geh
schlafen, Kind, die Stunde ist schon spät und Mitternacht bald weisen
uns die Zeiger.
KARIN KRISTIANSEN:
Ihr wolltet mir noch etwas sagen, Vater.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Es eilt nicht, Mädchen. Morgen, wenn die Sonne dir früh die
Fieberahnungen verscheucht, ist's Zeit genug - jetzt bist du übermüdet.
KARIN KRISTIANSEN:
Ich bin nicht müd' und steh Euch gern zu Diensten.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ich hab dir Glück zu künden, liebes Kind und Glück soll
man mit klaren Augen schauen.
KARIN KRISTIANSEN:
Ich sah noch nie so klar wie diese Stunde.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Nein, wie du sprichst! Du scheinst zur Frau geworden mit einem Mal.
Nun, du bist alt genug und davon grade handelt meine Sache.
(Karin Kristiansen erschrickt)
INGE:
Seid Ihr nicht wohl, mein Fräulein?
(Karin Kristiansen schüttelt den Kopf)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Dann bereite dich, freud'ge Botschaft freudig anzuhören. Herr
Carsten Brix erwies dir heut die Ehre und hat bei mir um deine Hand gebeten.
KARIN KRISTIANSEN:
(verbirgt das Gesicht in den Händen)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Herr Carsten Brix ist dir ja wohl bekannt. Er ist ein Hofmann und aus
altem Hause, in allen Ritterkünsten wohl geübt. Er hat Vermögen,
Ansehn, Schönheit, Jugend. Es ist bei unsres Königs Majestät
sein Vater vielbeliebt und gern gesehen. Drei stolze Prachtgebäude,
Haus an Haus, kann er in dieser Stadt sein eigen nennen. Und Schätze
bergen ihre festen Mauern, aus reichen Truhen leuchten Schmuck und Gold.
(Karin Kristiansen neigt den Kopf noch tiefer. Inge tritt zu ihr)
Nicht alles ist das noch. An Jütlands Küste hat er Besitzungen
um Skagenshorn. Arm ist das Land, doch reich sind seine Ufer an Fischen,
Strandgut, allem, was das Meer im bunten Wechsel seiner Wellen bietet.
Er ist der Herr, der Strandvogt ist sein Diener. Und solch ein Mann
wird dir zum Eh'gemahl! Du sprachst von bösen Zeiten, liebes Kind.
Nun sag, ist das nicht Glück? Ich meine wohl, und Glück soll
man mit beiden Händen fassen. Ich hab ihm zugesagt.
KARIN KRISTIANSEN: (weinend)
Oh, Gott im Himmel! Sind denn von Feuer dieses Tages Stunden?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wie, Kind, du scheinst die Gnade nicht zu schätzen? Dir fällt
ein selten Glück in deinen Schoß, ein unverdientes Glück
so junger Dirne, und du, statt dich zu freuen, weinst -
INGE:
Vergebt!
Wie sollt' das Fräulein schon an Freien denken?
KARIN KRISTIANSEN:
Ich muß an den Gedanken mich gewöhnen. Nie dacht' ich dran
- es kommt mir unvermutet....
SOPHUS KRISTIANSEN:
Dann mache dich damit vertraut, mein Kind. Einmal ist's an der Zeit
- du mußt es wissen. Kein Mädchen sucht sich selber einen Mann,
nie war das Brauch in altem Haus und Stamme. Und dann, so denk' ich, hab
ich gut gewählt, Kein Mädchen findet einen bessern Gatten. Zu
danken hast du mir.
KARIN KRISTIANSEN:
Ich danke Euch. Verzeiht, wenn mich das Neue überrascht, und wenn
mein Herz, das allzuschnell geschlagen, den Segen Eurer Rede nicht verstand.
INGE:
Auch solch ein Glück muß erst begriffen werden. Der Frauen
Hirn faßt langsam Leid und Lust. Geduldet Euch, gestrenger Herr,
bis morgen - ein lachend Antlitz werdet Ihr erschaun. Ist's nicht so, Fräulein,
hab ich recht geraten? Geht nun zu Bett.
KARIN KRISTIANSEN:
Ja, - laß uns schlafen gehn.
SOPHUS KRISTIANSEN:
So ist es recht, wie Ihr die Sache leitet. Gut Nacht, mein Kind, und
träume süß vom Frein. In einem Monat ist ganz Kopenhagen
dein Hochzeitsgast!
KARIN KRISTIANSEN:
Wie Ihr befehlt, mein Vater.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Du siehst, mein Mädchen, statt der düstern Ahnung, die töricht
du in Fieberträumen hegtest, flog dir das Glück zu - halte dir
dein Glück! Denk, Schatten fliehen, wo die Sonne scheint. Du bist
beruhigt?
KARIN KRISTIANSEN:
Ja - ich bin ganz ruhig. Anna Kathrin laßt nicht im Hafen weilen.
Schickt sie in See. Gott segne ihre Fahrt. Gut Nacht.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Gut Nacht, mein Kind.
(Umarmung)
KARIN KRISTIANSEN: (impulsiv)
Lebt wohl, mein Vater!
(Karin Kristiansen geht mit Inge zur Tür rechts)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Sie ist erschöpft, bringt sie zu Bett.
(Carsten Brix tritt durch die Tür links ein)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Willkommen,
Herr Carsten Brix! Ihr kommt zu guter Stunde.
CARSTEN BRIX: (verneigt sich)
Mein Fräulein, Euer Diener! Denkt Ihr nicht mit Eurer Gegenwart
uns zu beglücken?
INGE:
Das Fräulein ist nicht wohl.
CARSTEN BRIX:
Oh, mein Bedauern! Vielleicht ist später mir das Glück geneigter?
Ihr ruht Euch aus -
INGE:
Auf Wiedersehen, Herr!
(Karin Kristiansen und Inge gehen durch die Tür rechts ab)
CARSTEN BRIX:
Sophus Kristiansen, schnell, ein Wort in Eile. Ich trau dem Juden nicht,
er scheint mir falsch. War's unumgänglich, daß Ihr ihn gedungen?
SOPHUS KRISTIANSEN: Was wollt Ihr? Einer Sache, wie der unsern, ist mit Gedanken nicht allein genügt. Man braucht zu solchem Tun geschickte Hände, die grade wissen ungerad zu drehn. Gefällt der Jud Euch nicht, wer kann dafür? Ihr könnt nicht Ehrenmänner dafür werben.
CARSTEN BRIX: Und Ihr und ich - sind wir nicht mit im Spiel? Und wer kann's wagen, Schurken uns zu schelten?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Herr Carsten Brix, das ist ein ander Ding.
CARSTEN BRIX:
Wie meint Ihr das?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Hört zu, Herr Carsten Brix. Das Schiff soll scheitern. Falsche
Küstenfeuer brennt Euer Strandvogt an vor Skagenshorn.
CARSTEN BRIX:
Ich selbst war dort und hab's genau geregelt. Den Ort hab ich bestimmt
und welche Nacht. Doch das hat mit dem Juden nichts zu schaffen, das konnte
ich allein.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Hört mich zu Ende.
CARSTEN BRIX:
Das Schwerste war's. Der Rest ist leichtes Spiel.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Bei solchem Ding ist keiner nebensächlich. Verzeiht - Ihr laßt
die falschen Feuer lohn, doch damit ist die Hälfte nur geschehen.
Der Kaufherrn Gold in meinen Kellern bergen, der Truhen Inhalt wechseln,
war nicht schwer, wenngleich ich gern gesteh, des Juden Kenntnis und seine
Hand war mir auch hier von Nutzen.
CARSTEN BRIX:
Entbehrlich wär er, wie mir dünkt, gewesen. Gefährlich
ist der Jud und nicht geheuer erscheint mir die Genossenschaft mit ihm.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Gut, wenn Ihr meint. Doch wer bewacht das Laden? Tut Ihr es oder ich,
der Reeder - leicht entsteht ein Mißtraun bei des Schiffes Mannschaft
und sonst, wer weiß bei wem, es pflanzt sich weiter - Und habt Ihr
auch den Hafenvogt für Euch durch Geld und Eures Vaters hohe Stellung
und wenn auch mir der Kapitän vertraut, der Jahr für Jahr dies
Schiff für mich befehligt, das Schiff erprobt und mich in Ehren kennt
- wer bürgt Euch, daß nicht wer, ein dreister Narr, mit Heimlichkeit
der Truhen Spange bricht - und altes Eisen findet er statt Gold! Wir kämen
allesamt aufs Hochgericht, kein Geld und Ansehn kann vom Galgen lösen.
Ein tolles Stück! Toll, wie ich kein's gesehn, seit ich ein Reeder
bin zu Kopenhagen. Vornehme Sippschaft wär es für den Henker!
CARSTEN BRIX:
Bei Euch kann man das Gruseln lernen, Mann.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Drum zog ich Markus Levi ins Vertrauen. Er, der von je die Ladung überwachte
und stets im Hafen mein Geschäft vertrat - vermied ich ihn dabei,
Mißtrauen sät' ich im Volk und in des Juden schlauem Hirn. Und
wenn ein Jud mißtraut, ist er allwissend.
CARSTEN BRIX:
Da habt Ihr Recht, allein ich mag ihn nicht. Zuwider ist mir solch
ein Spielgenosse. Er ekelt mich.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Auch ich bin nicht sein Freund. Geschäft und Freundschaft sind
verschiedne Dinge. Das Leben schmiedet oft ein seltsam Band und kettet
launisch Schwarz und Weiß zusammen. Glaubt Ihr, ich hätt' ein
solches Stück ersonnen, wenn nicht der Friedensschluß mit Schweden
wäre, der mehr noch als der Krieg Verlust uns bringt, und der mich
mehr als mein Vermögen kostet? Mein Haus, die Speicher, Schiffe, alles,
alles ist nicht mehr mein, ein Bettler müßt' ich werden, ein
Bettler ich, der Reeder Kopenhagens! Soll ich hier betteln, wo ich Herrscher
war? Soll ich hier Lasten schleppen, Taue drehn im Hafen, um ein Ehrenmann
zu bleiben? Ich würge mich nicht um ein hohles Wort, ein Narr nur
macht sich zum Gespött der Leute. Und eher hol der Teufel meine Seele,
als daß er meinem Stolz den Nacken beugt! Reich will ich sein, noch
reicher wie zuvor, Gold will ich haben, Gold in allen Truhen, Gold über
Gold in Säcken aufgehäuft, denn Gold ist Herrschaft, Ansehn Macht
und Ehre! Prunk will ich sehn und Prunk will ich entfalten, daß alle
Welt vor meinem Stolze kniet! Und meiner Flotte weißen Segeln gleich
sei nicht ein Schiff in Kopenhagens Hafen!
CARSTEN BRIX:
Bei Euch ist's Stolz, bei mir sind's Liebeswehn. Wär' Eure Tochter
nicht, zu solchem Wagnis hätt' ich mit kaltem Blut mich nicht gesellt.
So weiß ein jeder seines Handelns Ziel und nur dem Jud gilt Geld
um Geldes willen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Habt Ihr ein Ziel, und kenne ich das meine - laßt doch den Juden
gehn! Was schert er Euch?
MARKUS LEVI: (kommt durch die Tür links)
Ich wünsche guten Abend, edle Herren! Die Arbeit ist getan. Nun
reift die Frucht und pflücken zu verstehen muß ein Gärtner.
(Er macht mit der Hand die Bewegung des Geldzählens)
Herr Carsten Brix, wollt Ihr Euch nicht bemühn und gütigst
mir auf Eurer Karte zeigen, wo Euer Feuerchen bei Skagen brennt. Verzeiht,
ich geh gern sicher als Geschäftsmann.
SOPHUS KRISTIANSEN: (winkt ihn an den kleinen Tisch heran)
Hier, tretet näher!
CARSTEN BRIX:
Nein, hier ist's verzeichnet.
Hier, wo das Kreuz steht, wird das Feuer lohn. Hier liegt das Riff,
das Feuer weist die Wege grad darauf zu. Habt Ihr's gesehen?
MARKUS LEVI: (beugt sich über die Karte)
Ja,
ein Kränzchen seh ich und -
SOPHUS KRISTIANSEN:
Es klopft. Herein!
(Durch die Tür links kommt ein Diener)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was gibt es?
DER DIENER:
Herr, gehorsamst Euch zu melden, Anna Kathrin in See.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Gut, Ihr könnt gehn.
(Der Diener geht durch dieselbe Tür ab)
CARSTEN BRIX: (eilt ans Fenster, stößt es auf und sieht hinaus)
Da fährt das Schiff! Noch sieht man seine Lichter. Ganz fern am
Hafenausgang blitzt es auf. Jetzt schwindet's, jetzt verlöscht's,
ein Nebel hastet quer übern Sund und hüllt es in sich ein. Nur
graue Wolken sieht man, Dunst und Wasser. Der Wind nimmt zu. Von Schweden
zieht ein Wetter nach Nord herauf, auf Skagens Küstenland. Nach Skagen
segelt! Steure, Steuermann! Der Teufel wird dir diese Fahrt gesegnen!
MARKUS LEVI: (hat sich wieder über die Karte gebeugt)
Das Kreuzchen seh ich, ja, allein, wo soll das Schiffchen scheitern,
Herr? Ich kann's nicht finden.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Hier, Markus Levi, wo der rote Strich das Schiff Euch zeigt, dem Feuer
gegenüber. Und wer dem Feuer ausweicht, rennt aufs Riff. Kein Mondlicht
scheint und dunkel sind die Nächte. (Carsten Brix tritt wieder zu
den andern)
MARKUS LEVI:
Sehr schön. Allein, gestrenger Herr, verzeiht, wenn ich trotz
allem noch Bedenken trage. Von großer Vorsicht bin ich, wie Ihr wißt,
und was man tut, das tue man auch gründlich. Ich bin Geschäftsmann
und Geschäft hat Regel. Ihr wißt es selbst.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Und was macht Euch besorgt?
MARKUS LEVI:
Gesetzt, das Schiff geht unter - kann die Ladung so oder so nicht treiben
an den Strand? Man tut doch sonst, gerechter Gott, nicht laden in solche
feste Truhen alten Kram. Wie? Treibt nun solche Ware an die Küste
- unliebsam Aufsehn gäbe das im Land. Ein langes Maul oft haben Fischerleute
und mancher mehr Gedanken, als man braucht.
CARSTEN BRIX:
Beruhigt Euch. Was dort versinkt, zerschellt, von jenem Ort kommt nichts
und niemand wieder. Dort brüllt die Brandung wie ein wildes Tier und
keines Menschen Blick sieht ihre Schrecken.
MARKUS LEVI:
Das ist mir lieb. In allem sei man gründlich. Oft bringen stumme
Zeugen selbst Gefahr und tote Dinge können schweigend reden, und Augen
sehen, was das Ohr nicht hört.
CARSTEN BRIX:
Das sieht kein Auge mehr, als das der Fische. Die mögen glotzen
auf den alten Kram, voll Neugier ihn mit kalten Leibern streifen. Es lohnt
der Müh - sie finden was zum Fraß. Nicht mein Geschmack sind
freilich Wasserleichen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Um Gott, Herr Carsten Brix, hört davon auf, und zerrt das Grauen
nicht aus seiner Tiefe. Genug ist's an der Tat. Denkt nicht der Folgen
und malt sie nicht mit solchen Farben aus. Wenn Ihr so sprecht, kann man
Gespenster sehen.
CARSTEN BRIX:
Seid Ihr so zart? Dann laßt das Morden bleiben.
MARKUS LEVI:
Gerechter Gott, ein Mord! Ein Unglück ist es. Ihr nennt's nicht
recht, der Name macht die Sache. Im Leben gibt's so manches, was verlangt
auf ganz besondre Art benannt zu werden.
CARSTEN BRIX:
Nennt's, wie Ihr wollt! Was wißt denn Ihr von Haß? lch
denke anders über Schiff und Mannschaft, und einer ist dabei, von
dem ich wünschte, ich könnte lebend tauchen in sein Grab, um
seiner Seele Todesgraun zu sehen.
MARKUS LEVI:
Ihr sprecht recht ungemütlich, lieber Herr. Allein, ich merkt'
es auch, es ist vom Schiffsvolk Euch ein gewisser Jemand nicht genehm.
CARSTEN BRIX:
Ist Euch genehm, wer Euch ins Antlitz schlug, und segnet Ihr die Faust,
die Euch getroffen?
MARKUS LEVI: (hämisch)
Ach, nicht doch, Herr, ich mein' ein ander Ding. Ein Faustschlag läßt
sich anders noch bestrafen. Doch Jugend denkt nur, wie die Liebe brennt,
das Alter merkt erst, wie die Liebe rostet Gott, jedem sein Vergnügen.
Meinen Glückwunsch!
CARSTEN BRIX:
Was, Jude, faselst du für tolles Zeug? Sorg du für deine
Haut, was schert dich meine?
MARKUS LEVI:
Gott, ist's nicht wahr?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Verzeiht, vieledle Herren, gefällt es Euch nicht, ein wenig Euch
zu stärken? Ich denk', der finstern Reden ist's genug. Kommt, laßt
das Grauen seine Wege gehn. Ein guter Wein verscheucht die schwersten Schatten.
CARSTEN BRIX:
Ihr nennt uns beide edel? Allzu gütig! Seit wann denn ist der
Jud ein Edelmann?
MARKUS LEVI:
Seit wann denn ist es Brauch, daß falsche Feuer ein Edelmann
an Skagens Küste brennt? Nehmt Euch in Acht, Herr Junker!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Laßt das Streiten. Zu gleichem Werke sind wir gleich vereint
- wer mag den andern dann geringer schelten? Herr Markus Levi ist uns Freund,
Genosse, er steht uns treu zur Seite, Carsten Brix.
MARKUS LEVI:
Glaubt Ihr, ich sei kein Mensch? Ihr scheint zu meinen Ihr könnt
mich schmähn, weil ich ein Jude bin? Dann laßt die Finger von
des Juden Händen. So feine Unterschiede! Jud und Christ! Ich denke,
gleicher Stand gilt für den Galgen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Herr Markus Levi, kommt, laßt Euch begüt'gen. Herr Carsten
Brix ist oft bei schlechter Laune. Verliebte Leute, sagt man, sind nicht
klug. Wir wollen trinken, kommt. Der Wein vereinigt und bindet mehr, als
Tat und Rede tun.
(Er fahrt Markus Levi zum Tisch in der Mitte und ladet Carsten Brix
durch eine Handbewegung ein)
CARSTEN BRIX:
Ich danke.
SOPHUS KRISTIANSEN: (geht zu Carsten Brix und faßt ihn am Arm.
Leise):
Nehmt Vernunft an, Carsten Brix, es ist kein Kinderspiel, um das sich's
handelt. Zähmt Euren Hochmut!
(laut):
Kommt und seid kein Narr!
(Er führt ihn zum Tisch und füllt die Gläser)
Die Kraft soll leben, die das Leben meistert! Ein kühner Geist,
der kein Gesetz erkennt und der die Welt nach seinem Willen wendet. Auf
Euer Wohl!
MARKUS LEVI:
Ich tue Euch Bescheid.
(Markus Levi und Sophus Kristiansen trinken. Carsten Brix schiebt das
Glas ärgerlich beiseite)
MARKUS LEVI:
Gott, guter Wein. Das läuft den Hals hinunter.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ja, Markus Levi, Wein ist flüss'ges Gold.
MARKUS LEVI:
Da habt Ihr Recht, doch echtes ist mir lieber. Dies trink ich mit dem
Leib, das echte Gold, Sophus Kristiansen, trink ich - mit der Seele!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ihr wißt Bescheid, das muß der Neid Euch lassen. Schon
Vieles dank ich Eurer kund'gen Kenntnis.
MARKUS LEVI:
Zu gütig seid Ihr.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Trinkt noch etwas Wein.
Erlaubt mir Euren Becher.
MARKUS LEVI:
Euch zu dienen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Der Wein bekommt Euch gut nach so viel Mühe.
Mich dünkt, es war für Euch ein harter Tag
und Ihr habt Ruhe Euch verdient zum Abend.
MARKUS LEVI:
Ach ja, ich spür's noch in den Knochen liegen,
nicht von den jüngsten ist mein dürrer Leib
und mager ist die Hand und voller Runzeln.
(streckt die Hand über den Tisch aus)
Doch greift sie Gold, dann wird die Hand zur Kralle!
Kein Geier hält sein Opfer fest wie ich!
(Er lacht)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Das ist Geschäft, Herr Markus, ich versteh' Euch.
(legt Markus Levi die Hand auf die Schulter)
Ein Meister geltet Ihr in dieser Kunst!
So viel ich kenne, Euch ist keiner gleich!
(Carsten Brix hat die ganze Zeit in verbissenem Ärger dagesessen.
Jetzt wendet er sich gereizt an Sophus Kristiansen)
CARSTEN BRIX:
Sophus Kristiansen, wo ist Eure Tochter?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Sie ging zur Ruh; ihr war nicht wohl. Ihr hörtet.
CARSTEN BRIX:
Ihr war nicht wohl! Das mögt Ihr gerne glauben, mich täuscht
man nicht mit allzuleichtem Spiel.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wie meint Ihr das?
CARSTEN BRIX:
Man munkelt allerlei und Narrheit nistet gern in Mädchenköpfen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ihr seid ein Spötter, Herr. Erklärt Euch näher.
CARSTEN BRIX:
Nennt Ihr das spotten, wenn ich Wahrheit rede? Mit Weibern weiß
ich umzugehen. Kurz,
ich will sie sehen, sie ist meine Braut, noch heute will ich ihr den
Brautkuß geben!
SOPHUS KRISTIANSEN:
So nehmt Vernunft doch an, das Kind ist krank. Wahrhaftig, seltsam
dünkt mich Eure Laune!
Schon einmal störtet heute Ihr den Frieden. Was ist in Euch gefahren,
Carsten Brix? So weckt man schwerlich einer Braut Gefallen.
CARSTEN BRIX:
Wenn ich sie mag, mich braucht sie nicht zu mögen!
Kein Heiligtum ist mir ein Mädchenherz, das kann ein Dichter nur
im Liede fassen. Ich glaub' es nicht, so viel ich schon geküßt.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Herr Carsten Brix, Ihr sprecht ja wie ein Wüstling! Bedenkt, von
wem Ihr redet! Eurer Braut seid Ihr wohl größ're Ehrerbietung
schuldig.
MARKUS LEVI:
Herr Junker scheinen heute schlecht beraten. So ein erhabenes Fräulein,
großer Gott!
CARSTEN BRIX:
Wie ich dir scheine, Jude, schert mich wenig. In Liebessachen braucht
man nicht dein Maul.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Fangt doch nicht wieder Streit an!
MARKUS LEVI:
Hütet Euch! Auch eines Juden Langmut hat ihr Ende. Ihr könnt
Euch schaden -
CARSTEN BRIX:
Kurz und gut, noch einmal: ich will sie sehn! Sie ist mir zugesagt,
mit seiner Liebsten plaudern wehrt man niemand. Nicht Euer ist das Mädchen
- sie ist mein. Holt sie!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Sie ist nicht wohl, Herr Carsten Brix. Wie oft soll ich dasselbe Euch
versichern? Denkt, sie bedarf der Ruh -
CARSTEN BRIX:
Der Ruh bedarf sie! Da weiß ich besser Euch Bescheid zu sagen.
Sie trauert, weil ihr Schatz hinausgesegelt, und Euer Steuermann ist's,
den sie liebt!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Das ist nicht wahr!
CARSTEN BRIX:
Glaubt Ihr, ich wäre blind? Ich sah sie heut im Hafen Blicke tauschen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Herr Carsten Brix, Ihr träumt!
CARSTEN BRIX:
Ich denke, kaum!
Ich weiß noch mehr. Ich ließ sie überwachen, ich stellte
Späher aus und ihrer einer
hat Euer tugendhaftes Töchterlein heut Nacht im Arm des Steuermanns
gefunden. Er schwur ihr ew'ge Treue, weiß der Teufel,
und was noch sonst ein Narr der Närrin sagt.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Nein, unerhört!
CARSTEN BRIX:
Wär ich dabei gewesen bei Gott, ich hätt' den Schädel
ihm gespalten!
MARKUS LEVI:
Oder er Euch. So was ist wechselseitig.
Und was ich heut von ihm im Hafen sah, das sah so aus, als liebt' er
keine Spässe.
CARSTEN BRIX:
Er segelt in den Tod. Es ist das Gleiche, ob ihn die See schlingt,
ob ich ihn erschlug. Die Dirn jedoch ist mein - ich will sie zwingen!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ich kann's nicht glauben, nein!
CARSTEN BRIX:
Dann fragt sie selber.
(Sophus Kristiansen kämpft unentschlossen mit sich. - Pause)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Herr Markus Levi, wollt Ihr Euch bemühen? Das Fräulein laß
ich bitten, wenn's beliebt. Es gälte, einen Irrtum aufzuklären.
Bestellt's der Dienerin.
(Levi steht auf)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Durch jene Tür.
Dem Hafen zu liegt ihre Mädchenkammer.
(Markus Levi geht durch die Tür rechts ab)
CARSTEN BRIX:
Dem Hafen zu. Vielleicht schaut sie hinaus,
ob sie den Liebsten noch von ferne sähe.
Mein holdes Fräulein, laßt das Träumen sein!
Verschwunden ist er längst in Nacht und Dunkel!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Herr Carsten Brix, hört auf mit Eurem Hohn.
Bald wird sich's zeigen, wie Ihr Euch versündigt
CARSTEN BRIX:
Bald wird sich's zeigen, wer ihr Herrscher ist!
Noch heute will ich frein! Sie soll sich beugen.
Glaubt Ihr, ich sei gewöhnt an blöde Flausen
bei einem Weibsbild! Tod und Teufel! Nein!
Soll ich noch schmachten? Soll ich um sie werben?
Von Liebe faseln? Handel gegen Handel:
zu Willen war ich Euch - sie ist der Preis.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Herr Carsten Brix, so war es nicht gemeint.
Ihr müßt Euch mäß'gen, wollt Ihr sie erringen.
CARSTEN BRIX:
Nach Eurer Meinung hab ich nicht gefragt.
Ich frage nur mich selber nach der meinen.
Schenkt ein zur Hochzeit! Hört auf meinen Trinkspruch!
(hebt den Becher hoch empor)
Anna Kathrin - auf gute Fahrt nach Skagen!!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Seid Ihr von Sinnen, Mann? Ihr lästert Gott!
(Markus Levi kommt zur Türe links wieder herein)
MARKUS LEVI:
Das Fräulein, Herr, war nicht auf ihrer Kammer.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wo ist sie denn?
MARKUS LEVI:
Man sucht nach ihr im Hause.
(Stimmengewirr hinter der Szene)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was soll das heißen? Ruft doch! An die Türe!
(Er geht mit unsicheren Schritten zur Tür, Markus Levi und Carsten
Brix folgen. Die Türe geht auf und Inge mit zahlreicher Dienerschaft
tritt ins Zimmer.)
INGE:
Das Fräulein ist nicht da!
EIN DIENER:
Sie ist verschwunden!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was für ein Wahnsinn! Sucht sie! Ruft sie her!
INGE:
Herr, sie ist nicht im Haus. Wo soll man suchen? Befehlt, wohin -
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wie soll denn ich es wissen?!
CARSTEN BRIX:
Sie sitzt vielleicht noch draußen vor der Türe und jammert
ihrem Liebsten Tränen nach. Ein rührend Bild!
MARKUS LEVI:
Hört auf zu spotten, Herr. Vielleicht ergeht das Fräulein
sich am Hafen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ja, sucht am Hafen! Sucht! Ihr müßt sie finden!' Ihr müßt!
Mein Gott, wenn ihr ein Leid geschehn!
(Einige Diener stürzen eilig aus der Tür. Im Türrahmen
treffen sie mit einem andern Diener zusammen, der ins Zimmer eilt und sie
dadurch auch noch zurückhält)
DER DIENER:
Hier ist ein Brief!
INGE: (greift darnach)
Ein Brief!
(Sie reicht ihn Sophus Kristiansen)
SOPHUS KRISTIANSEN: (nimmt den Brief)
Wo ist er her?
DER DIENER:
Ich fand ihn eben in des Herrn Gemach. Er lag auf Eurem Tisch.
(Sophus Kristiansen überfliegt den Inhalt des Briefes)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Oh, Gott im Himmel!
MARKUS LEVI: (sieht neben ihm in den Brief)
Das Fräulein ist an Bord, auf See gegangen. Gerechter Gott, nein,
solch ein Wagestück!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Mein Kind auf See! Mein Kind auf jener Fracht! Mein Kind auf See, mein
Kind!
CARSTEN BRIX:
Verfluchte Dirne! Sie ist an Bord mit ihrem Steuermann!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was höhnt Ihr immer noch mit Euren Märchen? Vor Euch ist
sie geflohn! Ich blinder Tor hab selbst für Euch um ihre Hand geworben!
CARSTEN BRIX:
Sehr gütig. Doch ich dank' für solche Hand, es paßt
mir schlecht, vom Steuermann zu erben. Bei solchem Spiel will man nicht
Zweiter sein. Nicht mein Geschmack ist's, alte Ware handeln. Glück
auf zum Hochzeitsfest vor Skagenshorn! Ich denk' es zu verschmerzen. Weib
bleibt Weib - und Dirnen gibt's genug zu Kopenhagen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Habt Ihr kein Herz im Leib? Ihr seid ein Schelm! Ein Schurke seid Ihr!
CARSTEN BRIX: (verneigt sich)
Und Ihr seid von Sinnen!
(Carsten Brix geht durch die Türe links ab. Sophus Kristiansen
schlägt die Hände vors Gesicht. - Pause)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was steht Ihr hier und gafft auf meinen Jammer?!
In Eure Kammern! Auf die Kniee! Betet!
Bete, wer beten kann! Ich kann's nicht mehr!
(Er geht wankend zur Türe rechts hinaus und schlägt sie hinter
sich zu)
(Vorhang)
DRITTER AKT
(Szene: Arbeitszimmer Sophus Kristiansens. Rechts Fenster. Links an
der Seite eine Türe. Im Hintergrund rechts eine Flügeltür,
links ein Kamin, in dem verglimmendes Feuer brennt. Links ein Tisch und
Sessel, auf dem Tisch ein brennender Armleuchter. Neben dem Tische stehen
schwere Truhen. Es ist Nacht. Draußen Sturm und Regen. - Inge steht
am Fenster. Markus Levi steht in gebeugter Haltung am Kamin und wärmt
sich die Hände.)
INGE:
Gott, wie es stürmt und regnet!
MARKUS LEVI:
Nu - was machts? Es kann nicht immer gutes Wetter geben.
INGE:
Das Fräulein ist auf See!
MARKUS LEVI:
Auf See sind viele.
INGE:
Nein, seid Ihr hart! Und wären's mehr als viele, Euch wär'
es gleich. Ihr wärmt Euch am Kamin, ein andrer mag getrost im Wetter
stehen!
MARKUS LEVI:
Soll ich mir nicht die dürren Hände wärmen? Ich bin
ein alter, schwacher Mann. Mich friert. Mach ich das Wetter? Bin ich daran
schuld, daß Sturm und Regen wild im Aufruhr toben?
Bin ich's, der wie ein Teufel pfeift im Schlot, bin ich's, der heulend
an den Fenstern rüttelt?
Da hab ich wirklich Besseres zu tun. Ihr seid nicht klug!
INGE:
Und Ihr besitzt kein Herz!
MARKUS LEVI:
Das mögt Ihr gerne glauben, wennís Euch Spaß macht. Davon
werd' ich nicht mager und nicht fett! Nehmt an, ich trüge dort, wo
Ihr ein Herz habt, ein ander Ding - vielleicht aus Kieselstein.
INGE:
Kein Stein ist Euer Herz, Herr Markus Levi: Ein Geldsack ist es!
MARKUS LEVI:
Gott, wär' das ein Glück! Ich wollt' es gern mir aus dem
Leibe reißen, doch ist's nur ein Stück Fleisch, so leid mir's
tut. Blut ist nicht Gold.
INGE:
Doch Gold kann Blut verschulden, ich hasse es!
MARKUS LEVI:
Dann haßt's, mir ist es recht.
(Markus Levi nimmt einen Blasebalg und facht das Feuer im Kamin an)
INGE:
Nein, solche Nacht! Ich kann mich nicht entsinnen,
daß so der Sturm gerast zu Kopenhagen.
Das heult und stöhnt, als wären's tausend Stimmen
statt einer, die in Stadt und Hafen tobt!
Das packt und zerrt, als wären's tausend Hände,
von denen jede tausend Schrecken birgt'
Mein armes Fräulein, ach, wo mögt Ihr sein?
MARKUS LEVI: (legt den Blasebalg wieder hin und steht auf)
Wo wird das Fräulein sein? Gewalt'ge Frage! Sie ist an Bord, Ihr
habt es selbst gehört. Was hilft dabei? Ich hab ihr's nicht geraten.
INGE:
Sagt, Markus Levi, läßt sich garnichts tun?
Kann man kein Schiff entsenden, sie zu suchen?
MARKUS LEVI:
Ihr meint wohl, Schiffe gibt's, wie Sand am Meer? Da wär' es kein
Geschäft, ein Schiff zu zimmern. Was wollt Ihr mehr? Ich hetzte heiße
Stunden und fragt' auf jedem Schiffe an im Hafen, so wie es Herr Kristiansen
mir befohlen. Gold bot ich über Gold in seinem Namen, In ganzen Bergen!
Jeder nähm' es gern, allein, kein Schiff liegt seeklar, alle laden.
Schiff ohne Fracht - ein Fetzen ist's im Wind und treibt kieloben bei der
ersten Welle. Die Gier nach Geld war da, Geld nimmt man gern. Doch keiner
stirbt dafür - was hilft's den Toten?
INGE:
Oh Gott, wenn Ihr so sprecht, faßt mich ein Grauen, Wie, wenn
das Fräulein in Gefahren wäre?! Seetüchtig ist das Schiff
- doch wer kann bürgen? Grausame Launen zeigt der Lauf der Welt. Ich
überlebt' es nicht.
MARKUS LEVI:
Dann müßt Ihr sterben, wenn Ihr's nicht überlebt. Bis
dahin wartet und faßt Euch in Geduld. Ich tu' es auch, wenn ich auch
schwerlich daran sterben werde.
INGE:
Ach, unser armer Herr! Und ohne Trost, voll düstrer Sorgen um
des Kindes Leben!
MARKUS LEVI:
Sophus Kristiansen ist ein Mann, kein Weib, er wird sein Ungemach mit
Würde tragen. Das Schiff ist gut, das ist der beste Trost, das andre
lehrt die Zeit, nur die kann's wissen. Nichts können Klagen, alles
kann Geduld.
INGE:
Denkt Ihr denn, Herr Kristiansen wär' geduldig? Ihr wart im Hafen,
habt ihn nicht gesehn. Er nimmt nicht Trank, noch Speise, ohne Ruhe schleicht
er wie ein Gespenst durchs ganze Haus. Im Halbschlaf stößt er
jede Türe auf und schaut mit irrem Blick in alle Kammern. Er spricht
kein Wort, nach nichts und niemand fragt er, nur mit sich selber hört'
ich oft ihn reden seltsame Worte, ohne Halt und Sinn, daß mich's
erschreckte -
MARKUS LEVI:
Ach, das wird sich geben. Es kam so schnell. Gerechter Gott, kein Wunder,
wenn einer da nicht gleich vernünftig ist. Das ändert sich im
Lauf der nächsten Tage und fürchten kann da nur ein furchtsam
Weib, das denkt, in jedem Ofen hockt ein Teufel. Seht ihn nicht an, wenn
er Euch fürchten macht.
INGE:
Wie soll ich das vermeiden, Markus Levi? Bedenkt, es hängt mein
Herz an diesem Haus, sein Unglück und sein Glück sind mir das
meine. Ihr werdet anders denken, wenn Ihr's selber mit Euren Augen schaut.
MARKUS LEVI:
Ah, großes Wunder' Ich sah schon manchen, der von Sinnen war.
INGE:
Dann wieder sitzt er regungslos im Sessel und klammert sich an ihn
mit irrer Hand. Ins Leere starrt er - oh, mit leeren Augen, mit Augen,
Markus Levi, daß mir graut!
(Sophus Kristiansen kommt durch die Seitentür links)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Seid Ihr hier? Geht! Ich kann nicht Menschen sehn.
MARKUS LEVI:
S'ist besser, Menschen sehen, als Gespenster, Und Ihr seid auf dem
besten Weg dazu.
(Sophus Kristiansen geht zum Fenster und sieht hinaus)
INGE:
Herr, darf ich nicht das Feuer noch entfachen? Ihr werdet frieren.
Es ist am Verglühn. Die Nacht ist kalt.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ich fühle keine Kälte, ich fühle keine Wärme -
nichts, nichts mehr . . .
Nein, geh zu Bett.
INGE:
Nur einen Augenblick erlaubt mir, Herr, die Kohlen glimmen so schwach.
Verzeiht, dann stör' ich Euch nicht mehr.
(Sie nimmt den Blasebalg und bemüht sich, das Feuer anzufachen.
- Pause. - Endlich loht das Feuer grell auf)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was flammt da auf? Was ist das für ein Schein? Wie? Hast du nicht
gehört? Laß sein! Ich kann kein Feuer sehn, kein Feuer sehn,
- kein Feuer!!
(Inge hält erschreckt ein und erstickt die Flammen)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ach, nichts als Nacht und Dunkel mag ich sehn!
INGE: (steht auf)
Verzeiht mir, Herr -
SOPHUS KRISTIANSEN:
Geh schlafen. Es ist gut.
(Inge geht langsam und traurig durch die Seitentür links ab. Sophus
Kristiansen sinkt auf einen Stuhl am Fenster zusammen und stützt den
Kopf in die Hände. Markus Levi geht erst zur einen, dann zur andern
Tür und schließt beide sorgsam ab)
SOPHUS KRISTIANSEN: (fährt auf)
Was macht Ihr da?
MARKUS LEVI:
Ich schließe ab die Türen. Wir haben noch Geschäfte,
wie Ihr wißt, und unwillkommen waren fremde Augen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ich kann heut nicht Geschäfte regeln, geht! Verlaßt mich,
geht! Was gelten mir Geschäfte?!
MARKUS LEVI:
Es gilt Geschäft, so lang man atmen kann. Ihr könnt noch
atmen, also könnt Ihr handeln.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ich kann nicht, hört Ihr. Habt Ihr kein Gefühl?
MARKUS LEVI:
Wie soll ein armer Jud Gefühle haben? Man tritt uns - dann zertritt
man auch das Herz. Gebt Ihr Gefühle uns - Nein, Ihr gebt Geld. Man
gibt nur das, was man empfängt. Was wollt Ihr mehr, als Geld und Geldeswert
vom Juden?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Gut, Markus Levi, laßt mich, Ihr habt Recht. Doch muß es
heute sein? Ich denk', es eilt nicht. Ich kann nicht reden, ich bedarf
der Ruh. Bis morgen hat es Zeit.
MARKUS LEVI:
Seid Ihr der Meinung? Ich nicht. Soll so viel Gold im Hause lagern?
Wer bürgt Euch, daß nicht wer ein Mißtraun faßt?
Seltsame Truhen stehn in Eurem Zimmer Nein, nein, schafft's aus dem Hause.
Nachgezählt und zwischen uns geteilt - das Gold muß fort, eh
man beginnt nach Eurem Schiff zu fragen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wo ist das Schiff jetzt?
MARKUS LEVI:
Heute Nacht vor Skagen.
(er schließt geräuschvoll eine Truhe auf)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Vor Skagen - jetzt? Allmächtiger, mein Kind!
(Markus Levi hebt Geldsäcke aus der Truhe und legt sie auf den
Tisch)
MARKUS LEVI:
Ihr seht, es drängt die Zeit und Ihr wollt ruhen? Hä, ruhn!
Mit Ruhen macht man kein Geschäft. Fügt Euch in das, was nicht
zu ändern ist. Habt Ihr Verlust - wollt Ihr noch mehr verlieren? Ich
denk', es ist genug -
SOPHUS KRISTIANSEN:
Oh, mehr, als das! Mehr als genug sind solche Höllenqualen!
MARKUS LEVI:
Nu - seht Ihr's selber?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Geht mein Kind zu Grunde, das andre ist mir gleich!
MARKUS LEVI:
Mir aber nicht.
Ich will nicht sterben auf dem Hochgericht.
Kein schöner Lohn wär's für mein Jammerleben, das reich
an Mühe, arm an Freude war. Wollt Ihr das etwa? Wär' es Euch
genehm?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was fragst du mich, frag deine arme Seele!
(Markus Levi löst von einem der Geldsäcke den Verschluß
und schüttet den Inhalt auf den Tisch. Dann betrachtet er das Gold
und reibt sich die Hände)
MARKUS LEVI:
Viel Geld, viel Geld - und Gott, wie leicht verdient! Wie kommt ein
armer Mann zu solcher Gnade? Sophus Kristiansen, schaut doch einmal her.
Gott, welch ein Glück!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ihr sprecht von Glück - zu mir?!
MARKUS LEVI:
Ah, Ihr müßt trennen können eins vom andern. Was hat
das Fräulein mit dem Gold zu tun? Ich geb' es zu, das eine ist ein
Unglück, das andre ist ein Glück - nu', sagt doch selber! Wollt
Ihr kein Geld?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was soll ich mit dem Golde?
MARKUS LEVI:
Gut, pack ich's wieder ein. Mir ist es recht, ich bin ein armer Mann
und kann's gebrauchen.
(Er packt mit großer Geschwindigkeit die Geldsäcke zurück
in die Truhe)
Wenn Ihr nicht wollt, es wär ja schade drum. Die schöne Gottesgabe
-
SOPHUS KRISTIANSEN: (springt auf und stürzt zum Tisch)
Nein! Gib her! Ist's nicht genug, daß ich mein Kind verlor? Gib
her das Gold! Soll ich zum Bettler werden? Nein, nein, in Gold, im Golde
will ich wühlen, in Gold ersticken meiner Seele Qual. Und wenn mich
meines Kindes Stimme ruft, wie einst mit holden Lippen Vater stammelt -
Gold will ich greifen, Gold mit allen Fingern, bis meine Qual erstarrt
wie dieses Gold!
MARKUS LEVI:
Nu', seht Ihr wohl! Nehmt nur Vernunft an, Mann. Denkt, daß die
Welt nichts ist, als eine Nuß, die hohl ist, wenn sie nicht mit Gold
gefüllt wird. Seid erst ein Bettler - Euch wird's bald gereun.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Still! Hört Ihr nichts? Still!
(Windstoß)
MARKUS LEVI:
Aeh, was soll ich hören?
Im Rauchfang pfeift der Wind - nu', weil es stürmt.
SOPHUS KRISTIANSEN: (packt Markus Levi am Arm)
Ich aber hör' es, Markus Levi, hör' es. Es stöhnt und
jammert, schreit, es schreit um Hilfe -!
MARKUS LEVI:
Laßt meinen Arm. Ihr packt ja wie ein Schraubstock.
Laßt los!
SOPHUS KRISTIANSEN: (bricht auf dem Sessel vor dem Tisch zusammen)
Ach, nimmt kein Ende diese Nacht!?
MARKUS LEVI:
Ich seh es ein, mit Euch ist nichts zu machen. Wollt Ihr Gespenster
sehn, seht sie allein, ich habe keine Zeit zu solchen Dingen. Zählt
Euer Geld, zählt's nicht -dann laßt es bleiben. Ich hab Euch
nicht betrogen. Ehrlich Spiel war stets mein Grundsatz unter Spielgenossen.
Ein jeder hat sein Anteil. Gute Nacht. Wollt Ihr noch sonst was fragen?
Habt Ihr Wünsche?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ich habe keinen Wunsch und keine Frage und keine Kraft, um Antwort
Euch zu stehn.
MARKUS LEVI:
Wollt Ihr nicht auch zur Ruhe Euch begeben? Laßt Euch beraten,
es ist gut gemeint.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ich kann nicht schlafen, Markus Levi, nein, ich kann nicht schlafen,
niemals, niemals wieder!
MARKUS LEVI:
Ihr müßt. Denkt, daß Ihr müßt. Flieht Euch
der Schlaf,
so kommt der Wahnsinn bald bei Euch zu Gaste
und bohrt sich wie ein Wurm in Euer Hirn.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Was sagt Ihr mir, was ich mir selber sage? Ich hab genug an meiner
eignen Qual. Ihr könnt ja schlafen - geht.
MARKUS LEVI:
Gehabt Euch wohl.
(Markus Levi schließt die Seitentür links auf, läßt
den Schlüssel stecken und geht hinaus. Gleich darauf öffnet er
wieder und tritt, den Türgriff in der Hand, nochmals ins Zimmer)
MARKUS LEVI:
Vergeßt nicht, abzuschließen Eure Türe, daß
niemand Euch bei Eurem Golde sieht.
(Sophus Kristiansen winkt ihm mit der Hand ab. - Pause)
MARKUS LEVI:
Ein Mensch, wie ich wird selten weich gestimmt. Hört auf ein freundlich
Wort und geht zu Bett. Mich dünkt, Ihr wacht zu keiner guten Stunde.
Sophus Kristiansen - es ist Mitternacht!
(Sophus Kristiansen verharrt schweigend. Markus Levi schüttelt
bedauernd den Kopf, dann geht er hinaus und zieht leise die Türe hinter
sich zu. Pfeifende Windstöße)
SOPHUS KRISTIANSEN: (greift mit irren Händen ins Gold)
Nein, nein, ich will kein Gold, ich will mein Kind! Ich will mein Kind
zurück. Herrgott im Himmel, ich bete zu dir! Nie hab ich's getan.
Der Pfaffe sagt, du seist den Sündern gnädig, dann sei es mir
im Grauen dieser Nacht! Ich will dir danken, danken, hundert Kerzen will
ich dir täglich brennen am Altar. Ich will dir Kirchen bauen, riesengroß,
wie keine Kirche ist zu Kopenhagen. In Marmor will ich deinen Namen meißeln,
in Edelsteine fassen dein Gebot. Den Armen will ich geben, hundert Kronen
tagtäglich, hundert, tausend, was du willst. Kein Bettler soll an
meine Türe kommen, er gehe denn als reicher Mann hinaus. Ja, wenn
du willst, laß mich zum Bettler werden. Zum Bettler! Nur gib mir
mein Kind zurück -
Ich will mein Kind, nimm du mein Gold dafür, und segnen, segnen
will ich deinen Namen. Gib mir mein Kind! Du mußt, du mußt
es tun! Du kannst es tun. Gott, sagt man, ist allmächtig. Dann zeige,
daß du's bist, zeig deine Allmacht! Ich glaub nicht dran. Bekehre
mich zum Glauben. Wenn du's nicht tust, ist Narrheit deine Lehre und Narren
sind es, die sie uns gelehrt. Ich bete zu dir - - nein, ich kann nicht
beten! Zur Gotteslästerung wird mein Gebet. Ich kann nicht, kann nicht
- nein, ich will nicht beten! Ich will mir selber helfen!
(Er springt auf. Pfeifende Windstöße. Der Regen klatscht
ans Fenster)
Hört ihr nicht?! Nach Norden müßt ich steuern, Leute,
hört ihr? Nach Norden! Nordwärts steure, Steuermann! Ihr dürft
nicht nach dem Küstenfeuer schaun, falsch ist es, falsch! Ihr segelt
ins Verderben! So hört doch, hört! Ihr habt mein Kind an Bord.
Falsch sind die Feuer, falsch! Erbarmt Euch mein! Holt Eure Segel ein,
das Steuer wendet, der Kurs' ist falsch, er geht auf Skagen zu. Hört
mich denn niemand? Brüllt die See so laut und zerrt der Wind so wild
im Takelwerk, daß ihr nicht hören könnt? Bin ich denn weit?
Ich bin mit Euch an Bord, steh auf der Brücke. Schiffsmannschaft!
Achtung! Hör auf Schiffsbefehl! Ho-hoh! Nach Norden, nordwärts
müßt Ihr steuern!
(Er stürzt zum Fenster und reißt es auf. Regen und heulende
Windstöße schlagen herein. Er ruft zum Fenster hinaus)
Hoh-ho-hoh!
STIMMEN HINTER DER SCENE: (von ferne)
Hoh-ho-hoh! ....
SOPHUS KRISTIANSEN
Um Gott! Was war das? Bin ich denn von Sinnen? Wer rief da? Wer hat
dort gerufen? Wer?!
STIMMEN HINTER DER SCENE: (näher)
Ho-hoh, ho-hoh, ho-hoh! .....
SOPHUS KRISTIANSEN:
Ist das der Wahnsinn, der im Hause ruft? Ein Grauen packt mich, Todesangst,
Entsetzen -
Schnell! Ist die Tür verschlossen?
Ja, die ist es.
(eilt zur Türe rechts im Hintergrund und rüttelt daran)
Die andre muß ich schließen - Gott im Himmel!
(Er eilt zur Seitentür und sucht sie mit vor Angst zitternden
Händen abzuschließen. Währenddessen springt die verschlossene
Flügeltür rechts mit einem Schlage lautlos auf, herein tritt
die ganze Besatzung der ÑAnna Kathrin" und geht auf lautlosen Sohlen auf
Sophus Kristiansen zu. In der Nähe des Tisches bleiben alle stehn.
Sven Fredriksen und Karin Kristiansen stehen im Hintergrunde, nur für
den Zuschauer, nicht für Sophus Kristiansen sichtbar. Unter der Mannschaft
befindet sich ein kleines, nebelgraues Männchen in Seemannstracht,
der Klabautermann. Aller Gesichter und Hände sind leichenweiß.
Sophus Kristiansen, der nun die Tür abgeschlossen hat, dreht sich
um und sieht mit namenlosem Entsetzen auf die Mannschaft. Pause. Es ist
ganz still, nur der Wind heult)
KNUD STEENHOLDT: (mit einförmiger Stimme)
Hier sind die Schiffspapiere. Tragt es ein: Anna Kathrin vor Skagenshorn
gesunken.
(Pause. Pfeifende Windstöße. Regen)
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wo kommt ihr her? Nein, das ist Wahnsinn! Geht! Ein Trugbild ist's,
ich glaub nicht an Gespenster.
Was wollt ihr? Bin ich schuld an eurem Unglück? Und bin ich schuld
- es ist zu spät, zu spät.
Was kommt ihr, dieser Nacht Entsetzen mehren, ist denn in mir des Grauens
nicht genug? Nein, nein - mein Hirn ist krank von wirren Träumen ich
schließ die Augen, fort mit allem Spuk. Die Augen schließ ich,
nichts mehr will ich sehen!
(Er verdeckt das Gesicht mit den Händen)
DER KLABAUTERMANN:
Sophus Kristiansen, macht die Augen auf!
SOPHUS KRISTIANSEN:
Um Gott, wer spricht? Was sind das für Gebilde, die mir der Irrsinn
vor die Seele spielt? Ich kenn' dich nicht.
DER KLABAUTERMANN: (mit trauriger Stimme)
Ich aber kenne Euch Ihr seid der Reeder, dem das Schiff gehörte,
das jetzt zerschellt an Skagens Küste liegt. Ich dacht' an Euch, als
ich in Sturm und Wind, ein Nebelgeist der See, an Bord gesprungen. Ich
dacht' an Euch - ein Reeder liebt sein Schiff vom Küstenfeuer ab,
nach Süden zu. Ich dacht' an Euch - ein Reeder liebt sein Schiff oft
wie ein Vater hängt an seinen Kindern. Ihr seid ein Vater - liebt
Ihr Euer Kind?
SOPHUS KRISTIANSEN:
Wer Ihr auch sein mögt, Seemann ohne Namen, oh, habt Erbarmen!
DER KLABAUTERMANN:
Hattest du Erbarmen?
(Sophus Kristiansen senkt den Kopf. Pause)
DER KLABAUTERMANN: (fährt traurig fort)
Ich kam nicht her, um dich zu richten, Mann. Das ist nicht meines Amts.
In deiner Brust wird ewig Skagen's Küstenfeuer brennen. Ich hab gesteuert,
wie ein Steuermann. Was kann man mehr? Ein Schiffer bin ich nur, kein Geist,
dem alles kund auf See und Küste. Ich habe gut gesteuert - nur zu
gut. Dann kam das Grauen - - nun ist es vorbei. Gott sei den Seelen gnädig.
Amen.
(Die ganze Schiffsmannschaft nimmt langsam und schweigend den Hut vom
Kopf und hält ihn mit beiden Händen vor die Brust)
STIMMEN DER MANNSCHAFT: (leise)
Amen.
SOPHUS KRISTIANSEN:
Seid ihr denn wirklich und vermögt zu reden, dann redet, redet!
Sagt, wo ist mein Kind?!
DER KLABAUTERMANN: (schüttelt traurig den Kopf)
Du hast dein Gold. Sei mit dem Golde glücklich.
(Der Klabautermann wendet sich zum Gehen, die Mannschaft folgt ihm
langsam. Sven Fredriksen und Karin Kristiansen bleiben eng verschlungen
stehen, während die übrige Mannschaft sich hinter ihnen im Türrahmen
aufstellt. Sophus Kristiansen erblickt seine Tochter, stürzt auf sie
zu und kniet vor ihr nieder)
SOPHUS KRISTIANSEN: (schluchzend)
Bist du da, du, mein Kind, mein Kind, mein Kind!!
(Sven Fredriksen bleibt regungslos und sieht mit finsterem Gesicht
auf Sophus Kristiansen nieder. Ueber die Züge des Mädchens huscht
es wie ein halbbewußtes Erkennen. In den Händen hält es
eine eiserne Kassette, die Schiffskasse der ÑAnna Kathrin")
KARIN KRISTIANSEN:
Ach, Vater, du - und du lebst, wie schön! Wie schön ist das
Leben! Ach, und es sollte nicht sein. Doch du lebst - - ich hab dir auch
was gebracht. Nein faß mich nicht an, meine Hände sind kalt.
Dir wird's grauen. Schau her, es ist Gold drin, rotes Gold - nicht viel
ist's - wir hatten nicht mehr auf dem Schiffe. Du mußt es nehmen
- ich fand es selbst. Als wir unten im Tode lagen, griff ich danach und
hob es auf - - Ach, was steht darauf? Anna Kathrin - Kopenhagen!
(Sophus Kristiansen nimmt mit zitternden Händen die eiserne Kassette.
Die ganze Mannschaft, Karin Kristiansen und Sven Fredriksen gehen lautlos
hinaus. Die Tür schließt sich. Sophus Kristiansen bricht zusammen)
(Vorhang)