erschienen 1916 im Verlag Hans Blüher, Berlin Tempelhof
Über die Frauen hat es stets zwei Grundansichten gegeben: die eine sieht in ihr nur das unterworfene und darum verkümmerte Geschlecht, welches imgrunde dasselbe zu leisten imstande wäre, wie der Mann, wenn man es nur befreite. Eine Revision der gesamten Kulturlage der Menschheit muß nach dieser Ansicht die Unterschiede zwischen Mann und Weib in den kulturellen Leistungen aufheben. Alle Verschiedenheiten in den Leistungen sind scheinbar. Die zweite Ansicht dagegen sieht in der Frau einen grundsätzlich verschiedenen Typus Mensch, der dem des Mannes polar entgegengesetzt ist. Sie ist das andere Geschlecht, dann erst das schwächere oder gar künstlich geschwächte. Daher müssen alle Leistungen der Frau auch grundsätzlich anders sein, und alle Aehnlichkeiten sind scheinbar.
Die polare Ansicht hatten vor allem die Griechen, deren ganze Kultur auf sie eingestellt war. Das Theater, das für sie im Gegensatz zu uns eine religiöse Bedeutung hatte und demnach an wesentlich höherer Stelle stand, war den Frauen verboten. In unserem heutigen Staate wird die polare Auffassung von den rechtsstehenden bürgerlichen Parteien und dem Klerus vertreten, während das liberale Bürgertum und der bisherige Sozialismus dem graduellen Standpunkte huldigt.
Es muß hier etwas vorausgesagt werden, was die spätere Untersuchung erleichtert: man kann niemanden mit logischen Mitteln zwingen, den einen oder den anderen Standpunk anzunehmen. Daß einer so denkt oder anders, ist die Folge eines ursprünglichen Bildes vom Weibe, das sich fest und eindeutig aufdrängt. So wenig wie man irgend jemanden auf Grund physikalischer Erörterung zwingen kann, Grün zu sehen, wenn die Schwingungszahl für Grün sich einstellt - der Farbenblinde wird achselzuckend dastehen - so wenig kann man irgend jemandem beweisen, daß die Frau eben so zu sehen sei und nicht anders. Wenn demnach hier der polare Standpunkt vertreten wird, so geschieht dies unter gern geleistetem Verzicht auf letzte Beweisbarkeit. Wir verstehen unter der "Natur" des Weibes nur das, was der Empiriker unter Natur versteht. Metaphysische Ausdeutungen, die also Notwendigkeitscharakter an sich tragen müßten, reizen unsere Begier an dieser Stelle nicht. Die Ansicht von den Frauen, die hier vertreten wird, stammt aus der Erfahrung, wenn wir auch Wert darauf legen, nicht der Sammler-Erfahrung nie zu Ende dringender Kompendienschreiber zu fröhnen, sondern der durch eine Idee zusammengehaltenen klaren Sicht. Das Bild der Frau wird überall festgehalten, und wir lassen uns nicht durch die Zwischenstufen-Tatsache in der Natur beirren. Was von weiblichem Geschlechte ist, fügt sich in dieses Bild, das wir von der echten Frau haben, und es stört uns nicht, wenn stark vermännlichte Frauen nur schwer und widerstrebend dem Gesetze folgen, wonach sie angetreten. Der hermaphroditus verus hat noch nicht gelebt, und wenn der erste da ist, nun gut: wir wissen, daß alle Erfahrung den Garantieschein für Notwendigkeitswerte versagt, aber wir wissen auch, daß wir mit einer weit geringeren Fehlerquote arbeiten, als die, welche zwischen Mann und Weib nur den Gradunterschied sehen.
Wenn es richtig ist, daß Physiognomie irgend etwas besagt, wenn wirklich der Schnitt der Gesichter auf den Gehalt deutet, so ist es auch richtig, daß der Gehalt des Mannes von dem der Frau seinem Wesen nach und vollkommen verschieden ist. Denn man sehe in das Gesicht eines Mannes - irgend eines - und man wird dort (ausgebildet oder verkümmert) die physiognomische Vertretung der Geist-Tatsache in der Welt finden. Und man sehe darauf in das Gesicht irgend einer Frau, und man findet eine ebenso eindeutige Vertretung eines völlig anderen autonomen Prinzipes. Wir nennen es den Eros, und seine Gesetze lauten mit jedem Zuge anders, als die des Geistes. Wer sich an diesen Blick nicht gewöhnt hat, der schweige wenigstens vorläufig.
Die Unterschiedlichkeit in den Leistungen von Mann und Weib wird in unserer heutigen Kultur dadurch verunklart, daß eine Art neutrale Zone geschaffen worden ist, in der beide arbeiten, ohne dabei ihr Wesentliches zum Ausdruck zu bringen. So ist die schöngeistige und volkswissenschaftliche Literatur heut zu Tage etwas, was im Gegensatz zu eigentlich großen Zeiten jeder gebildete Mensch "produktiv" beherrschen kann. Nur sind es eben keinen Produktionen, sondern Variationen. Wir sind nicht imstande, zu unterscheiden, ob ein durchschnittlicher Roman von einer Frau oder von einem Manne geschrieben worden ist. Wir behaupten aber: wenn es möglich wäre, sämtliche sowohl geistigen als psychologischen Motive, die zur Abfassung eines solchen Romanes geführt haben, zu ergründen, und wenn es möglich wäre, die "Schöpfer" dieser Romane zu ganz reinen Menschen zu machen, die zum Geistigen ein durch Eitelkeit und Kulturüberhäufung völlig ungetrübtes Verhältnis haben, wenn also, sage ich, die echten Typen Mann und Weib wie Adam und Eva der richtenden Gottesstimme gegenübertreten könnten: so wäre der Unterschied des Verhaltens katastrophal. Eine völlige Entlarvung fände statt, Mann und Weib hätten dann nichts mehr miteinander zu tun, denn der Mann würde die Mittelmäßigkeit seines Romans mit tiefer Scham empfinden und seine Tat verfluchen, das Weib aber - würde lachen. "Ich habe ja nur gespielt!" - Den Ernst dieses Lachens freilich würde sie zu einer anderen Zeit enthüllen.
Man kann also im Grunde männliche und weibliche Leistung nicht miteinander verwechseln, sie sind ihrem Wesen nach verschieden, wenn das Ganze des Menschentums apostrophiert wird. Ihre Gleichheiten sind Irrtum.
Wer sie doch verwechselt, und zwar prinzipiell, der ist ein Feminist. Und dies eben kann als die Definition des Feminismus angesehen werden, daß er über wesentliche Verschiedenheiten hinwegsieht, während er aus unwesentlichen Aehnlichkeiten sein Kulturprogramm der Emanzipation und Gleichberechtigung der Frau entwickelt. Es braucht dann nicht mehr gesagt zu werden, was Antifeminismus ist, und man kann nur noch erleuternd hinzusetzen, daß er selbstverständlich nichts weiter sein kann, als eine vorübergehende Abwehrmaßregel. Wenn die feministische Verflachung des öffentlichen Lebens eingesehen sein wird und wenn die Forderungen, die der Antifeminismus stellt, erfüllt sein werden, dann tritt er wieder vom Plane, und die, die ihn vertraten, werden gewiß kein Gefühl der Leere in sich haben, wenn sie nunmehr diese Punktion nicht mehr zu übernehmen brauchen.
Ein Punkt des von mir entworfenen antifeministischen Manifestes (erschien in Ernst Joels "Aufbruch" 2/3) hat die höchste Entrüstung viel weniger bei Frauen, als bei Feministen gefunden, nämlich der Satz: "Die Frau ist ungeistig". Mit merkwürdiger und doch verständlicher Resistenz hat man sich fast ganz allein auf die Schroffheit dieser vier Worte gestürzt, um meine barbarische Auffassung vom Wesen der Frauen an den Pranger zu stellen; hat sich aber vor der Interpretation dieser Worte, die kurz darauf folgt, im allgemeinen zurückgezogen.
Daß die Frau ungeistig sei, soll natürlich nicht heißen, daß sie dem Geiste gegenüber Indifferenz zeige. In diesem Falle wäre man genötigt, ihr die überzoologische Zugehörigkeit zur Menschengattung abzusprechen. So einfach aber geht das nicht. Es ist vielmehr gemeint, daß die Frau von dem Geist - der vom Manne kommt - nur das Niveau, seine Schichtungshöhe, nicht aber die Schöpferkraft erhält. Wir müssen bei allem was bisher Geistiges in der Welt vorgefallen ist durchaus unterscheiden zwischen dem eigentlichen Unternehmen, das aus der Sicht einer Idee entspringt, und der Manifestation, die es nachher einnimmt, wenn es gestaltet worden ist. Das Erste ist die schöpferische Leistung, das tiefe Wesen des Geistes selbst, das nur vom Manne getragen wird und eben dessen Bedeutung ausmacht. Das Zweite ist dem gegenüber eine Neben- und Außersache, die sogar Gegensache werden kann. Die tiefe Entfremdung, die jeder wirklich schöpferische und nicht stehengebliebene Mann zu allem hat, was er selbst geschaffen hat, ist das beste Zeugnis für den Ernst der Situation. Affenliebe gegenüber einem geschaffenen Werk, ist die Eigenschaft des Philisters und zeugt von Geistesschwäche.
Da aber nun das eigentlich Große am Geist seine Aktion ist, die Tätigkeit und Ursprünglichkeit des Schaffens, die wie die Natur nie stille steht, so muß ein Geschlecht, das - übrigens ziemlich zugegebener Weise - diese Schöpferkraft und ihren religiösen Ernst nicht besitzt, schlechterdings als ungeistig bezeichnet werden. Das Ernstnehmen des Geistes bei Frauen ist immer nur das Ernstnehmen des Mannes, der ihn vertritt. Wenn eine Frau sich um den Geist bemüht, um ihn "ringt" so ist dieser Vorgang ein fundamental verschiedener von dem beim ringenden Manne. Dieser ringt um das zu wirkende Werk, die Frau ringt um das Niveau, das sie sich auferlegt, um dem geliebten Manne würdig an die Seite zu treten. Ein wahrlich edles und hochgestelltes Ringen, aber kein Ringen um den Geist, sondern ein Ringen um den Eros.
Aus der Tatsache nun, daß die Frau in diesem entscheidenden Sinne ungeistig ist, stellt der Antifeminismus die Forderung auf, daß sie unter keinen Umständen herrschen darf. Vom Votum einer Frau darf im Staate niemals etwas abhängen. Denn der Staat ist, mag er in jedem gegenwärtigen Zustande noch so verfahren sein, doch dazu berufen, größtes und mächtigstes Werkzeug des Geistes in der Welt zu werden. Da aber die Frau weder den Geist noch den Staat im Grunde ihres Wesens ernst nehmen kann, so darf sie auch nichts in ihm zu sagen haben. Die Frau ist Familien-Wesen und nur das. Zu meinen, daß der Staat eine erweiterte Familie sei, ist ein abgründiger Irrtum. Tiergattungen, die nur die Familie in sich haben, können nur flüchtige Herden bilden, keine Staaten. Hierzu gehört noch ein anderes Gesellungsprinzip, an dem die Frau nicht teil hat.
Es sei aber hier bemerkt, daß wir unter "Familie" nicht die übliche verstehen, sondern eine ihr übergeordnete, für die jede bürgerliche jedes Zeitalters immer nur ein verkrüppelter Sonderfall ist. Psychologisch geordnet ist die ursprüngliche Familie beim Menschen haremitisch. Im Sinne der Menschenwürde geordnet ist die bürgerliche Einehe eine unterwertige Form, die wesentliche Ereignisse bei Mann und Frau überspringt und erdrückt. Wohl aber erscheint uns die Doppel-Ehe als die berufene Form, denn der Mann liebt immer zwei Frauen entscheidend. Doch sei das hier nur angedeutet, um uns vor Verwechselung mit bürgerlichen Sozial-Ethikern zu schützen. Im Uebrigen meinen wir, daß das erwähnte Menschen-Verhältnis von einer Würde und Schwere ist, daß es wohl noch keinem Menschenpaare bisher geglückt ist, es zu erfüllen. Daß sie vielmehr alle daran verzweifelten und verdarben. - -
Wenn man sich einmal die Frage vorlegt, wie es denn eigentlich gekommen ist, daß der Gedanke der Gleichberechtigung in geistigen und politischen Dingen überhaupt eine so große Verbreitung hat finden können, wie es möglich war, daß ein so offenbar gänzlich verrannter Plan mit Leidenschaft konnte verfochten werden, so möchte ich wenigstens für eine Stelle, die ich genau zu kennen glaube, eine Antwort geben. - Nirgends wird der Gedankenkomplex, der durch die Worte Koedukation, harmloser Verkehr der Geschlechter, Kameradschaft zwischen Jüngling und Mädchen usw. gekennzeichnet ist, so laut vertreten, als in der neueren Jugendbewegung. Die Gesellschaftsgebiete der jugendlichen Wanderbünde und frei studentischen Gemeinschaften sind voll von ihm. Ich wage nun die Behauptung: junge Männer, die vollkommen, ganz und unzweideutig auf das weibliche Geschlecht eingestellt sind, das heißt also Männer vom echten Typus der Frauenjäger, sind hier eine ganz seltene Ausnahme, die sich, wenn sie überhaupt auftritt, nur kurze Zeit halten kann. Diese Bezeichnung "seltene Ausnahme" gebrauche ich lediglich aus Vorsicht und Freigebigkeit, genau genommen bin ich der Meinung, daß dieser Typ dort überhaupt nicht vorkommt. Ich warte wenigstens seit den 10 Jahren, die ich mich um die Psychologie der Männerbünde kümmere, auf den ersten Fall. Es tummelt sich eben niemand jahrelang und leidenschaftlich in der Gesellschaft des eigenen Geschlechtes (was diese jetzt feminisierten Bünde früher waren), der es nicht in seinem Unbewußten dringend nötig hat. Wo ich auch hinsehe, das innere Verhältnis zum anderen Geschlecht ist bis zu einem gewissen Grade gebrochen. Irgend etwas an diesen jungen Männern haftet nicht ganz am Weibe, reißt sich wieder los und will wo anders hin. Ich bin immer wieder von neuem erstaunt, zu sehen, wie junge Männer, geborene Führergestalten, angebetet von jungen Mädchen, sie zu Füßen habend: sie doch nicht berühren. Mit einem sittlichen Gebote hat das nicht das mindeste zu tun, denn kaum jemand erkennt es als sittliches Gebot an, sie nicht zu berühren. Sie tun es nicht, weil sie es nicht wollen. Es hat für ihren Eros keinen Sinn.
Ich bin nun, wie man weiß, der Meinung, daß dieser offenbare Mangel an Einstellung auf die Frau kompensiert wird durch ein entsprechendes Maß Einstellung auf den Jüngling. Ich rede vorläufig ganz formal-psychologisch von "Einstel-lung" und erst hinterher sage ich: unter Anwendung einer bestimmten Methode und zwar der von Freud stammenden (und an dieser Stelle etwas zu korrigierenden) Psychoanalyse kann man herausbekommen, daß dieser Einstellung ein als Inhalt wirkender Trieb und zwar von sexueller Natur entspricht. Diese Sexualität kann transformiert sein, dann erscheint sie in sublimierter Form als kulturelle Leistung (die aber immer den Mann zum Zentrum hat) oder in pathologischer als Zwangsneurose. In einer sehr reichlichen, besonders bei der früheren Wandervogelbewegung ungestüm und unverkennbar deutlich gewordenen Zahl der Fälle bleibt aber der sexuelle Charakter erhalten, und man kann dann alles mit Händen greifen. In meiner privaten Terminologie befindet sich nun ein Begriff, der den Namen des "verschrobenen Männerbündlers" führt. Das ist jener Typus, der diesen Vorgang nicht kennt und sich von ihm überrumpeln läßt. Er liebt mit einem bestimmten, oft recht kleinen, Teil seines Herzens auch die Frauen, aber erstens einmal nicht so stark, wie die Frauen ihn (denn die weib-weiblichen Liebesbeziehungen sind an Folgenschwere den mann-männlichen garnicht zu vergleichen) und zweitens nicht in der Art, wie die Frauen im Grunde es verlangen müssen. Nämlich folgendes geschieht: der verschrobene Männerbündler dichtet, ohne es zu wissen, das Bild des Jünglings in die Frauen hinein, wodurch natürlich eine vollkommene Verzeichnung des Weibes bewerkstelligt wird. Die Nötigung des verschrobenen Männerbündlers ist darin zu suchen, daß er die Jünglingserotik verdrängt, also nicht zu ihrer Erfüllung gelangt. Die "ebenbürtige", die "geistige", die ,,kameradschaftliche" Frau ist demnach eine Schöpfung des Mannes, eine Phantasie, geboren aus psychischen Nötigungen. Solche jungen Männer, die trotz ihres dauernden Verkehrs mit Mädchen, trotz Du-sagens in mindestens einem halben Dutzend Fällen (der echte Frauenheld staunt darüber!) in Liebesdingen geradezu naiv durch die Welt laufen, die gewöhnlich noch nie einem Mädchen den Gürtel vom Leibe gerissen haben, um die letzte Forderung des Mannes zu stellen, die, wenn sie heiraten die unmöglichsten Ehen erleben, denen die Frauen fortlaufen, - solche Männer propagieren jenes unsinnige Bild der Frau, das in den Köpfen der liberalen Oeffentlichkeit spukt. Jeder echte Frauenliebhaber, für den Kameradschaft mit dem anderen Geschlecht eine indiskutierbare Ange-legenheit ist, die höchstens außerdem noch bestehen kann, lacht über ein solches Bild, das unwahr, verzeichnet, frauenquälerisch und frauenfeindlich zugleich ist - vom Geistfeindlichen ganz abgesehen.(Fußnote: Ich gedenke hier besonders der in letzter Zeit - durch den Krieg - so grassierenden Wandervogel-Ehen, deren Jammer eben auch nur der Krieg übertönt.) Aber noch eine andere dingliche Stütze, und diesmal physiologischer Art, hat die Lehre von der Ebenbürtigkeit. Wenn wir von der Geistigkeit als einem männlichen Merkmale sprechen, das dem Manne so zugehörig ist wie der Penis, so setzen wir Endtypen voraus, den Vollmann und das Vollweib. Da nun die Natur ganz und gar keinen Grundsatz hat, außer dem einen, grundsätzlich alles durcheinander zu werfen, kann mit mathematischer (sage metaphysischer) Gewißheit nicht behauptet werden, daß die Frau ungeistig sei. Hier liegt die Fehlerquelle, die wir in Kauf nehmen, die jeder flache Empiriker mit heldenhafter Entsagung in Kauf nimmt, von der wir aber behaupten, daß sie unvergleichlich viel spärlicher fließt, als die der Ebenbürtigkeits-Gläubigen. Es kommt vor, daß ein Mann Brüste hat, es kommt vor, daß er eine Vulva hat, und ebenso kann es vorkommen, daß eine Frau Geist hat und zur Werk-Schöpfung drängt. Aber der flache Empiriker muß sagen: der Mann kann zu Höchstem und Geistigem kommen und dabei völlig seine männliche Natur behalten, die Frau dagegen nicht. Sie vermännlicht bis zum Hermaphroditen, wenn sie zum Schaffen kommt.
Ich selbst verkehre seit vielen Jahren mit einem Mädchen, daß wirklich an einem Werke schafft, und während ich dies schreibe, vollzieht sich eine Schöpfung auf dem Gebiete der expressionistischen Malerei, die mich stets, wenn ich das Werden ihrer Form miterleben darf, aufs heftigste erregt. Aber dieses Mädchen steht ihrer Natur nach zwischen den Geschlechtern und man kann nicht sagen, ob sie Mann oder Weib ist; daß sie sich entschloß, als Mann zu leben, das kam aus dem tiefen und sicheren Gefühl heraus, daß das Schöpferische und Geistige eben das Männliche sei. Ich brauche nicht erst zu erwähnen, daß sie über den Frauen-Geist so denkt, wie wir, ich will aber sagen, daß man wohl nirgends besser über Mann und Weib und über den Sinn dieser Tatsache belehrt werden kann, als dort, wo die Natur selber in einem lebendigen Menschen klügster und fähigster Art jene Doppel-Wesenheit aufleuchten ließ.
Dieser verzweifelte Typ ist das größte Risiko, das unsere Einstellung zum Frauenproblem auf sich nehmen muß. Wir wissen nicht, wo wir eine solche Frau hinstellen sollen. Aber es gibt ja so viele Menschen, die alles wissen, frage man sie. Weit geringer und sofort lösbar ist die Schwierigkeit bei den geistig leicht erregten Frauen, jenem klugen, spontanen, lebendigen Typ, der auf die Universitäten geht, und um den es sich ja hauptsächlich handelt. Ich rede also hier von den jungen Mädchen, die die Kameradinnen des verschrobenen Männerbündlers sind. Und ich fordere meine Gegner auf: gehen wir zusammen in irgend eine freistudentische Versammlung, in der Frauen mitdiskutieren und aktiv an allem Geistigen teilnehmen, und man zeige mir ein einziges Madchen, das dem echten vollen Frauentypus entspricht, wie wir ihn etwa in der Madonna oder in den Gestalten Dürers sehen. Wir haben also die Situation: ein auf Frauen nur halb eingestellter Mannestyp (der verschrobene Männerbündler), der in ganz seltenen Fällen überhaupt dazu kommt, Frauen nackt zu sehen und weibliche Körper zu vergleichen, weibliche Hoch-Affekte zu erleben, zeichnet das Bild des Weibes, nachdem er ausschließlich mit vermännlichten Mädchen in kameradschaftlichem Verkehr gestanden hat! Dies ist wahrlich eine äußerst prekäre Lage, und wenn sie auf Vollheit der Erkenntnis Anspruch machen will, dann ist der allerflachste Empirismus medizinischer Sammelforscher noch königliche Wissenschaft dagegen.
Wir wollen aber an diesem Frauentypus nicht vorübergehen, ohne seinen Wert zu betonen. Es gibt nämlich ein Ereignis, das für jeden, der Blick für Frauen hat, ergreifend wirkt: wenn diese Amazonen ihre große Klugheit, die die Natur ihnen mitgegeben hat, plötzlich umschalten und auf den Eros werfen. Wenn diese Frauen auf einmal ihre ganze Wissenschaft verlieren und (...nach jenem prächtigen Gelächter) in den Dienst der Liebe treten. Sie werden dann die edelsten und tiefsten Beraterinnen bei Männern und Frauen und, wie mir scheint, kann man die Gestalt der antiken Diotima als eine solche bekehrte Amazone deuten. Wo dieser Akt der Umschaltung eintritt, da kommt ein Segen auf, für den es heute noch nicht viel gute Worte gibt. Hier beginnt das Eros-Werk der Frau erst, und hier beginnt auch jene höhere Art der Familie, von der wir oben andeutend sprachen.
Und nun der Ausblick für die Gesamtlage der Frauen; es hat gegeben: Judenemanzipation, Bauernemanzipation, Sklavenemanzipation, und das alles hat seinen vollen und guten Sinn. Aber das Wort "Frauenemanzipation" dagegengehalten ist der vollkommene Unsinn. Denn Juden, Sklaven und Bauern wollten emanzipiert sein, die Frau aber will dies niemals. Wir wissen seit Otto Weininger, daß die Frauenemanzipation gegenstandslos ist, denn es gehört zum Wesen der Frau, hörig sein zu wollen. Auch jener leicht vermännlichte Frauentyp ist eben im Grunde so durchaus Frau, daß er dem Manne, der sie bezwingt (das ist selten ein verschrobener Männerbündler!), gern und völlig "frei", das heißt, ihrem Gesetze folgend, hörig wird. Man mache die Probe auf irgend einen Fall, man lasse die schwachsinnige Kameradschaftsphrase, bezwinge wirklich eine Frau, liebe sie aber auch von ganzem Herzen - und man wird finden, daß jede andere Lösung unsinnig ist; die Frau gehört dem Manne, und wenn hieran etwas zu ändern ist, so kann dies nur auf die Art des Gehörens bezug haben. Die heutigen Modi des "Habens" einer Frau bedürfen allerdings der völligen Umwandlung. Statt der von vermännlichten Frauen betriebenen und von feministischen Männern bejubelten Frauen-Emanzipationsbewegung muß eine von Männern geschaffene und nach obersten geistigen Grundsätzen durchdachte Bewegung für Frauenrecht geschaffen werden.
Nur wer den Sinn für die Persiflage völlig verloren hat, kann überhaupt die Frauenbewegung in einem Atem mit den Bewegungen unter den Männern nennen. Wir Männer, wenn wir großen Führern folgen, sind niemals hörig, sondern wir gehören zu ihrer Gefolgschaft, und der uns führt, ist immer ein voller Mann. Die Frauen aber kommen in die Lage, von vermännlichten Frauen geführt zu werden, und der Erfolg ist: sie hören garnicht auf die Führerinnen und geben ihre Hörigkeit zum Manne keinen Augenblick auf. Aber man kommt auch ohne die Ver-männlichungsquote aus, wenn man sagt: die jungfräuliche Suffragette ist forsch, schneidig und tollkühn, sie sublimiert in diesen Eigenschaften ihre brachliegende Sexualität. Die verheiratete Frau ist milde, hingebig und sanft, und hat gar keinen Grund, auf die sexuellen Aushilfsbewegungen der Amazone zu lauschen; "sie läßt sich zu sehr von ihrem Mann beeinflussen" heißt es dann. Aber man gebe den Suffragetten statt harmlosem Verkehr der Geschlechter harmlosen Geschlechtsverkehr, und sie werden milde wie Tauben.- Wenn dies kein Mißverhältnis zwischen ,,Führern" und "Volk" ist, so gibt es überhaupt keines.
Ganz anders sieht es unter den Männern aus. Wenn ein Mann zu einem Manne von dem Letzten und Wesentlichen in seinem lnnern spricht, nämlich von seinem Werk, das erst geschaffen werden soll, so ist der andere imstande, wenn er nur vom gleichen Niveau ist, diese werkschaffende Tätigkeit in einer besonderen Weise zu begrüßen: nämlich seine eigene Schöpfermöglichkeit regt sich, und er kann dem andern etwas entgegensetzen; er kann ihm Widerstand leisten, wenn die Richtung des Denkens der seinigen zuwiderläuft, er kann aber auch ein Bündnis schließen, wenn er nach der gleichen Richtung strebt. Im Bündnisfalle tritt ein Akt der Bejahung ein, der sich auf die ganze Person erstreckt, und die das Gefühl eines großen Glückes für beide Männer bedeutet. Spricht aber derselbe schöpferische Mann zu einer Frau von gleichem Niveau, und nehmen wir an, daß die Frau vollkommen hingegeben und erschüttert lauscht, so - liebt sie ihn. Und zwar geschieht dies, ohne daß sie imstande wäre, dem Werkgedanken des Mannes etwas entgegenzusetzen, weil sie eben selbst als Frau nicht werkschaffend, sondern nur werkempfangend ist. Hier kreuzen sich also nicht zwei Schöpferkräfte und übersteigern sich gegenseitig, erhöhen und förden sich, sondern es gibt nur eine geistige Aktivität, die des Mannes. Die der Frau aber ist eine Aktivität des Eros.
Dies sind also die grundlegenden Unterschiede, die besagen, das es ein geistschöpferisches Verhältnis zwischen Mann und Frau nicht gibt, sondern nur zwischen Mann und Mann. Und selbst im Falle starker Niveau-Ungleichheit macht sich doch eben die gänzlich andere Einstellung zum, Geiste, die der unbegabtere Zuhörer als Mann hat, irgendwie geltend, sodaß seine Zuhörerschaft trotzdem eine von der weiblichen grundsätzlich verschiedene ist. Jene zuhörende Frau ist, wenn der Mann sie wieder losläßt, immer nur imstande, die geistigen Tatsachen des Niveaus, zu dem sie gelangt ist, zu variieren, eine eigene kritikbegabte Leis-tung kann sie nicht hinzusetzen. Man sehe sich die völlige Gefangenheit von Professoren-Witwen und Philosophenschwestern an, die allem gänzlich fassungslos gegenüberstehen, was abseits von dem Manne steht, dessen Geist in ihnen wiederstrahlt; nicht einmal eine naive Milieuerklärung seines Genies können sie ertragen.
Aber es muß noch mehr gesagt werden: stellt sich zwar das Glück des Bündnisses als ein geistiges dar, so muß man doch bedenken, daß Geist in reiner "Substanz" in der Natur nicht vorkommt. Er ist stets an körperhaftes und triebhaftes gebunden. So auch das geistige Glück jener Männerbündnisse. Es war eine Gefolgschaft an den ganzen Menschen, wie schon oben zugegeben war, nicht blos an den abstrakten Teil seines Wesens. Die Gestalt des Mannes spricht hier mit, und man verkennt leicht, was hier gemeint ist, wenn man zu sehr nach den Gelehrtenfreundschaften zwischen unseren Professoren sieht, statt nach den Vorbildern dieser Gefolgschaftsverhältnisse: den Bündnissen der platonischen Akademie, des epikuräischen Gartens und der Stoa. Von der psychologischen Seite aus gesehen sind diese Männerbündnisse sublimierte Wiederbelebungen mann-männlicher Liebesbeziehungen aus der Jünglingszeit, deren Triebkraft nicht verloren gegangen ist, und sind nicht selten diese Liebesbeziehungen selbst.
Wenn es sich nun zeigen läßt, daß die größen Leistungen in der Kultur, die ausschließlich von Männern geschehen, nicht von Alleinstehenden kommen, sondern von dem, der in einer "Gemeinschaft" steht, - mag diese phantasiert sein oder wirklich - und wenn es sich zeigen läßt, daß diese Gemeinschaft ein durchaus im Prinzipe der männlichen Gesellschaft aufgebautes Gebilde ist, das mit Frauen nicht das Mindeste zu tun hat: so muß der Liberalismus ins Irre greifen, wenn er, auf vorgebliche Ebenbürtigkeit der Frauen pochend, verlangt, daß Frauen überall dort sein dürfen, wo Männer untereinander sind. Da die schöpferischen Leistungen von Männerbünden stammen und der Männerbund eine völlige Stilverbiegung erleidet, wenn auch nur eine Frau, die klügste und beste auf der Welt, als gleichberechtigtes, Rechte forderndes Mitglied eintritt, so muß die antifeministische Mindestforderung lauten: Ablehnung jeder Fraueninvasion in die Männerbünde. An dieser Stelle bekommt der Antifeminismus seine letzte und klarste Begründung, für die alle anderen Anwendungsmöglichkeiten, wie z.B. das Verbot des Frauenstimmrechtes und der gesamten politischen Tätigkeit der Frau, nur abgeleitete Fälle sind.
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Hier ist die Darstellung so weit gediehen, um einen Zweck zu beleuchten, der uns dringend am Herzen liegt: die Freie Akademie.- Wie man weiß, haben unsere Hochschulen für den Geist nur peripherischen Belang. Eine Universität ist eine Universal-Lehranstalt, in der das jeweilige Intellektuellengewerbe die jeweiligen Tendenzen der Oeffentlichkeit bedient. Abgesehen aber von ihrer Vermarktung pflegen sie noch korruptive Einschläge zu haben. Die Freie Akademie dagegen ist die oberste geistige Instanz eines Volkes, in der nur die im schöpferischen Ur-Zustande verharrenden, unbestechlichen und entscheidenden Köpfe lehren. Die Lehrer der Freien Akademie sind unabhängige Denker, die Schüler sind Jugend, und zwar ausgewählte Jugend. Die Lehrer der Universitäten sind bekanntlich Professoren, die an Stelle der entscheidenden Aktivität des Geistes Klugheit, Rang und Würde besitzen, während die Schüler beliebige Jugend unrechtmäßig privilegierter Stände sind.
Dürfen an der Freien Akademie Frauen teilhaben? - In der Akademie werden sich, wie in der Geschichte der Menschheit, zwei Flügel bilden, die den Geist verschieden behandeln. Ein gotischer und ein dionysischer Flügel. Unter dem gotischen Menschen sei jede Art begriffen, die das Geist-Ereignis in der Welt um seiner selbst Willen zuende führt. Denen es um das bauende Wesen des Geistes allein zu tun ist, und für die demnach Natur, als Gegenspiel und Antigeist, keiner Rechtfertigung zugänglich ist. Gotische Menschen sind alle Christen, der philosophische Idealismus ist gotisch, angeschlagene Saitenmusik und Architektur dienen wesentlich der gotischen Lebenshaltung. Und um in den geistigen Kampf der Gegenwart hineinzusehen: Gustav Wyneken war noch gotischer Mensch, als er die Freie Schulgemeinde gründete.
Vom Standpunkte des gotischen Willens aus gibt es gar keine Möglichkeit, die Frauen anzuerkennen. Wer in diesem Sinne nach dem Göttlichen strebt, muß der Frau endgiltig den Abschied geben. Sie ist unter allen Umständen nur Gattungswesen und sexus sequior. Die großartigste gotische Macht, die katholische Kirche, ist daher ausgesprochen antifeministisch; (daß sie der einfältigsten aller Frauen die Himmelskrone aufsetzte und sie - in eine Nische stellte, besagt nur, daß sie dem Probleme Weib auswich). Die katholische Kirche ist nach dem Prinzip der männlichen Gesellschaft aufgebaut und wirkt gegen die Familie. Ein Blick auf jenen plumpen Verrat am gotischen Menschen, der durch den Protestantismus betrieben wurde, zeigt uns das neue Einsetzen der Familie aber gleichfalls ohne Ernstnehmen der Frau. Der protestantische Antifeminismus ist bürgerlich, der katholische geistig. Otto Weininger, gotischer Mensch in vollstem Bestande, hätte Katholik werden können, wenn er es nicht vorgezogen hätte, einen weit erstaunlicherenWeg zu gehen.- So wenig, wie nun im katholischen Phänomen der Mensch allein blieb, sondern sich (nach dem Prinzip der männlichen Gesellschaft) verbündete, und so wenig er die Frauen bei sich dulden konnte, so wenig ist dies in unserem heutigen Leben möglich, falls man gewillt ist, die letzte Konsequenz zu ziehen. Und so wundern wir uns nicht, wenn die Vertreter des gotischen Willens in der Jugendbewegung, jene Menschen, die die "Gemeinschaft" erträumen, durchweg jenes mehr oder minder gebrochne Eros-Verhältnis zu Frauen haben, das oben erwähnt wurde. Die gedachte geistige Gemeinschaft ist in dem Augenblick, wo sie Wirklichkeit wird, schon mit Erotik gefüllt, und diese Erotik ist nun einmal die des Jünglings zum Jüngling. So will es die List der Idee. Und wer es etwa wagt, die Frauen in diese "Gemeinschaft" einzubeziehen, wer den leisesten Versuch macht, ein Geistesbündnis mit Kameradinnen zu schließen, der steht mit einem Fuß bereits in der Katastrophe.
Ganz anders ist es mit dem dionysischen Flügel der Akademie. Dem dionysischen Menschen ist der Geist niemals Selbstzweck, sondern Mittel zur Steigerung des Lebens. ,,Leben" aber hat hier von vornherein einen anderen Sinn, als in der Biologie (man darf niemals sagen: "Nietzsche, und Darwin"). Menschen mit dionysischem Gehalt waren die Griechen im tragischen Zeitalter, die Romantiker, Nietzsche, Bizet; dionysische Mittel sind vor allem die Flötenmusik (die ewig und faunisch zum Leben verführt) und die Lyrik. Wer das Wirken der dionysischen Lebenshaltung in der heutigen Literatur spüren will, der lese Kurt Hillers Lehre vom Paradies in der "Philosophie des Ziels").
(Fußnote: Das Ziel. Aufrufe zu tätigem Geist. Herausgegeben von Kurt Hiller. Verlag Georg Müller, München, 1916.)
Da die Rechtfertigung der Natur vom Standpunkte der Gotik aus mißlang und immer mißlingen muß, so bleibt kein anderer Weg, als der vorläufige Abbruch der Beziehungen zum bauenden Geist und die Umstellung ins Gegen-Lager. Und dieses Gegen-Lager ist allein der Eros. Eros - jene andere Göttlichkeit des Menschen - ist der Repräsentant der Natur innerhalb des Menschenwesens. Durch ihn hindurchgegangene Natur ist menschenwürdig.- Ich weiß, daß diese Worte dunkel sind, und ich kann hier nichts anderes tun, als meine Leser um den Glauben bitten, daß sie weder absichtlich dunkel sind, noch daß dieser Satz bei m i r dunkel ist. (Ich glaube für die Unanständigkeit von Mystik sichernde Instinkte zu haben.) Aber es ist doch nun einmal so, daß wir dasjenige Stück Natur in uns, das nur zu unserm biologischen Fortbestande verhilft, in der Tat unbeachtet lassen, während wir in Entzückung geraten, sowie bestimmte steigernde Genüsse auf uns wirken. Hier steckt das Problem der Erfindung der Rauschgifte und steht hart genug der Erfindung des Alphabetes gegenüber.
Wenn ich nun sagte, daß es der Eros sei, der die Natur für den Menschen annehmbar mache und das Leben entzückungsvoll, so sollte man vermeiden, hierfür das schlechte Wort Liebe einzusetzen; nicht weil es falsch wäre, sondern weil diese Uebersetzung den Geschmack des Christlichen und der Humanität an sich trägt. Vielmehr denke man an den heidnischen Eros, der wuchtig, wollüstig, erschütternd und lebensgefährlich zwei Menschen aneinander kettet; man meine aber auch wiederum nicht, daß das Brünstige an ihm zu seinem Notwendigen gehöre, sondern man wisse, daß er von göttlichem Wesen ist, und daß wir ihn nur deswegen nicht geistig nennen, weil dieses Wort den prägnanten bauenden und gotischen Sinn hat. Die Göttlichkeit des Eros hat aber einen ganz anderen Klang, als die des Geistes, eben den dionysischen, und wer um dieses Tones willen nicht imstande ist, gar seinen Geist aufzugeben, wer diesen Jubel des Welt-Alls nicht mitfeiern kann, dem bleibt freilich kein Weg, als das Schicksal eines christlichen Theologen weiter zu tragen.
Mag man nun auch den mann-männlichen Eros höher stellen, als den mann-weiblichen (wie das Platon tat), so ist doch keine Frage, daß die Frau über das Wesen des Eros ein tieferes Wissen hat, als der Mann. Weil er eben ihr Wesen selber ist und weil sie außerhalb seiner nichts bedeutet. Dieses Wissen ist zwar in unserer Kultur, in der die Frauen noch Besitzstücke des Mannes sind statt Frei-Hörige, erst Rhapsodie (die edelsten Frauen sprechen hierüber wesentlich in Warnungssignalen), aber die Eigentümerinnen dieses entfaltbaren Wissens sind sie darum nicht minder. Sokrates ging zu Diotima, um sich über den Eros zu unterhalten. Dieser bedingungslose Männerbündler und Päderast hatte noch soviel undialektisierte Instinkte, daß er die Ueberlegenheit der Frau an dieser Stelle fühlte. Es bleibt hierfür gleichgiltig, daß der Feminist Platon im Symposion seinen Sokrates eine höchst unweibliche und unechte (vermännerbündelte) Antwort der Mantinäerin berichten ließ.
Solange die gotisch-dionysische Fragestellung an das Leben offen bleibt, solange haben also Frauen eine Stimme in der Menschheit. Aber diese Stimme darf nicht dort ertönen, wo Geist auf Geist um seine eignen Abgründe kämpft. Und es ist wahrlich kein Zufall, daß überall in der Geschichte der Völker Frauen heilig gesprochen wurden; daß man ihnen Priesterrollen anvertraute. daß es Sibyllen, Wahrsagerinnen und Hexen gab, darin steckt ein Blick in die Wahrheit, wenn auch jeder einzelne Blick falsch ging. Indem man Frauen heilig sprach (und die Verruchtheits-Erklärung ist immer nur der reciproke Wert der Sanktion!) bekannte man, daß ihr Wesen dem des Mannes erschütternd-abgrundhaft entgegen gesetzt ist: daß man ihm aber nicht ausweichen kann.
Die Frage nach der Zugehörigkeit zur Freien Akademie kann daher nur eine Antwort erhalten: die Suprematie des Männerbundes bleibt bestehen, aber er selbst ist immer nur Mittel. Es ist uns nicht um die männliche Gesellschaft zu tun, sondern um die menschliche. Da Sokrates zu Diotima ging, ohne daß deshalb Diotima in die vorplatonische Akademie einbrach und "Stimmrecht" verlangte, müssen auch die künftigen Akademiker zu Frauen der Akademie gehen können. Welche das sind, darüber herrscht bei uns kein Zweifel. Die sämtlichen Suffragets und alle bürgerlichen Frauen schalten aus. Es bleibt ein verschwindend kleiner Rest und von diesen können wir ruhig sagen, daß er uns gar keine Schwierigkeiten macht. Bekanntlich sind die obersten, klügsten und fraulichsten Frauen von heute antifeministisch (aber nur im hier vertretenen Sinne)
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Unserem Antifeminismus steht der bürgerliche gegenüber. Der bürgerliche Antifeminismus ist relativistisch, d.h. er nimmt einen überlieferten Kulturstand des Volkes, dem er angehört, als letztes Maß an und bezieht seine Forderungen darauf. Für ihn ist es selbstverständlich, daß dieser überlieferte Kulturzustand Wertgebungsinstanz sei, und er verwirft alle Abweichungen davon als "Entartung", blos eben deshalb, weil es Abweichungen sind. Jedem nicht-relativistischen Standpunkt dagegen sind alle Kulturinhalte selbst nur sekundäre Ausdrücke für ein hinter ihnen steckendes Primäres und Geistiges. Mit anderen Worten: jede noch so altgeheiligte Sittlichkeitsanschauung unterliegt jeden Augenblick der Kritik und darf ihre Rechtfertigung in nichts anderem finden, als in der Normierung nach letzten geistigen Instanzen.
Wenn wir daher mit den relativistischen Programmpunkten übereinstimmen, so kann dies immer nur besagen, daß die Denk-Ergebnisse dieselben sind, nicht aber das Denken. Als der Vertreter des bürgerlichen Antifeminismus tritt der Deutsche Bund gegen die Frauenemanzipation auf. Bei sofort deutlich werdender Unterschiedlichkeit in der Verfassung des Denkstiles, die niemandem, der für dergleichen Ohr und Sinn hat, entgehen kann, treten die gemeinsamen Forderungen klar zutage. In unseren programmatischen Darlegungen können Worte wie "Auswüchse", "Uebertreibung oder "gemäßigt" nicht vorkommen, und wir drohen niemals mit sofortiger Degeneration des deutschen Volkes, falls man unsere Forderungen nicht annimmt, so wenig wie wir imstande sind, für ihre Erfüllung das Glück zu versprechen.
Ich zitiere nach dem "Programm" ("Aufruf" der Ortsgruppe Heidelberg-Mannheim, erstunterzeichnet von Dr. Arnold Ruge, Heidelberg, Gaisbergstr. 29). Aus Punkt 2: "Wir sind überzeugt, daß die ledigen Frauen Erwerbsmöglichkeiten haben müssen, sind aber der Ansicht, daß solche in Gestalt weiblicher Berufe vorhanden sind und noch vermehrt werden können. Das kann geschehen, ohne daß Uebergriffe auf solche Arbeitsgebiete stattzufinden brauchen, die der Mann von jeher dem Wesen des männlichen Staates entsprechend (von mir gesperrt H. B.) und zum Vorteil der Allgemeinheit ausschließlich beherrscht hat." "Die Staatsverwaltung sowie geistliche, richterliche, auch laienrichterliche Aemter müssen, wie bisher, dem Manne belassen werden". Während selbst in diesen knappen Zitaten noch Worte und Wendungen gebraucht sind, die, wie gesagt, unserer Denk-1age nicht entsprechen, und die wir demnach nicht gebrauchen würden, springt ein Satz in flotter, treffsicherer und instinktfester Ursprünglichkeit heraus: "Eine Unterordnung männlicher Beamter unter weibliche Vorgesetzte muß gesetzlich ausgeschlossen werden". Noch einige andere Dinge sollten gesetzlich ausgeschlossen werden, so z.B. die Verwaltung des geistigen Erbes von Männern durch Personen weiblichen Geschlechtes. Auch Punkt 3 des Programms erheischt (immer abgesehen von schweren Denkstil-Diskrepanzen) die Unterzeichnung. Er lautet: "Wir sind nicht dagegen, daß wissenschaftlich begabten, geistig regsamen Mädchen die Moglichkeit gegeben wird, eine höhere wissenschaftliche Bildung zu erlangen. Aber wir verwerfen unbedingt die Gemeinschaftserziehung (Koedukation), gegen die sehr gewichtige pädagogische, ethische und nationale Bedenken (Denkstil-Diskrepanz! H. B.) sprechen. Ferner wünschen wir, daß den Frauen nur solche Studienzweige eröffnet werden, in denen sie ihre Eigenart mit Erfolg zur Geltung bringen können. (Diese Einschränkung machen wir nicht. H. B.) Für weibliche Studenten sind daher besondere Hochschulen zu gründen. Sobald diese ins Leben getreten sind, müssen die übrigen Universitäten und die technischen Hochschulen der männlichen Jugend vorbehalten werden, und die Frauen dürfen an ihnen nur als Hörerinnen zugelassen werden." (Sprachstil-Diskrepanz! H. B.)
Wir kommentieren hier nur: eine rein technische Zusammenbelehrung von Knaben und Mädchen aus Gründen der Zeitersparnis in untergeordneten Dingen, ist nicht zu verwerfen, auch vor einer gemeinschaftlichen Belehrung in medizinischen und sexuologischen Angelegenheiten schrecken wir keineswegs zurück; wenn man aber unter Erziehung die Hinwendung zum höchsten geistigen Berufe der Menschheit verstehen will, so wie sie in den Philosophenschulen des Altertums und der leider schnell feminisierten Freien Schulgemeinde sich darstellt, so ist Koedukation allerdings völlig zu verwerfen. Das gleiche gilt von den Universitäten, deren Feminisierung nur ein Symptom mehr für ihre Verkommenheit ist. Frauen gehören in Frauenschulen
Sind in dem bisher Genannten, zum mindesten in den Resultaten, einige Uebereinstimmungen gefunden worden, so klafft in dem Folgenden ein gähnender Zwiespalt, der nicht zu überbrücken ist. Es handelt sich dort um die berühmte Frage Ehe "gegen" freie Liebe. Es ist selbstverständlich, daß ein bürgerlich orientierter Bund sich aufs heftigste gegen alles wehrt, was die Ehe vorgeblich untergraben könnte. Grade so, wie die bürgerlichen Parteien in der Politik, je konservativer sie sind, umso leichter dazu neigen, abweichende Meinungen über das Wesen der Gesellschaft - auch wenn diese erheblich staatsgläubiger sind, als sie - als staatsuntergrabend darzustellen. Die Ehe kann nicht untergraben werden. Selbst wenn man sie gesetzlich aufhöbe, würde sie weiter bestehen. Die Ehe ist das Resultat einer ganz besonderen Gattenwahl des Mannes; wir wissen seit Freud, daß der Mann die Tendenz hat, seine Gattin nach dem Urbilde der ersten geliebten Person der Kindheit zu wählen - und zwar meistens der Mutter - , was ein unbewußter Mechanismus ist. Solange also männliche Kinder von Müttern betreut werden, solange werden jene charakteristischen und auch im Liebesverhalten durchaus gesonderten Verhältnisse eingegangen werden, die wir Ehe nennen. Ferner wissen wir seit Wilhelm Fließ, daß die Zahl der Totgeburten in den Ehen sich zu den Totgeburten der unehelichen Bündnisse konstant wie 23 zu 28 verhält. Da dieses Zahlenverhältnis aber nicht hier allein vorkommt, sondern allenthalben in der Natur nachweisbar ist, kann die Ehe kein willkürlich gesetztes Gebilde sein, sondern muß aus der Natur stammen. Sie bedarf also nicht der Schildwacht redlicher Bürger, und für sie einzutreten, besagt so viel, wie für den Mond einzutreten. Aber im Grunde kämpft der Deutsche Bund gegen die Frauenemanzipation, ja auch nicht für die Ehe, sondern gegen die freie Liebe
Wir glauben in Sachen des sogenannten Fortschrittes skeptisch genug zu sein, aber es gibt Dinge, die man heute nun einmal nicht mehr tun und denken darf, und zu diesen gehört die Verpönung abweichender Liebesarten. Der Bund bekämpft die "Auswüchse der Mutterschutzbewegung", die "übertriebene Erweiterung der Rechte unehelicher Mütter". Man muß hier die Frage stellen: wie weit gehen denn eigentlich die Forderungen, die von Seiten der Mutterschutzbewegung gestellt werden? Gingen sie etwa so weit, daß sie für die unehelichen Mütter und Kinder mehr Rechte verlangten, als für die ehelichen? Dann wäre die Frage nach "Uebertreibung" gegeben. Aber die Maximalforderung - die wir völlig und ohne jede Einschränkung unterzeichnen - ist ja nur: Gleichberechtigung im öffentlichen Recht und gleiche gesellschaftliche Behandlung, gleiche ethische Bewertung. Stellt man sich nicht auf diesen Standpunkt, so setzt man sich der Gewissensfrage aus: mit welchem Recht darf ein Kind, das für seine Geburt nichts kann, schlechter behandelt werden, als ein anderes? Mit welchem Recht darf man ihm sein Leben lang einen Makel anhängen, für den es nicht im mindesten verantwortlich ist? Mit welchem Recht dürfen uneheliche Wöchnerinnen schlechter und liebloser behandelt werden, als eheliche? Welches Recht steht den Bürgerlichen zu, die Not jener Mädchen durch ihre Mißachtung aufreibender und verzehrender zu machen? - Daß es hierfür keinen diskutierbaren Grund mehr gibt, wissen wir. Aber man darf wieder einmal die Frage stellen: woher es kommt, daß die bürgerlichen Vorurteile, wonach die Ehe heiliger und höher sei, als die freie Liebe, sich so zähe festhalten...?
Ich möchte die Lösung im Voraus geben: es ist das "Werk" des bisherigen Weibes. Es ist nämlich für ein Mädchen lediglich eine Angelegenheit des Glücks, wenn es geheiratet wird, die Gattenwahl ist ein selbständiger Akt des Mannes, an dem die Frau nicht teil hat; sie wird Ehegattin, weil sie zufällig einem Manne begegnet, dessen Mutter oder Schwester sie in gewissen, ihr selbst unbekannten und unkorrigierbaren Zügen gleicht. Kein Schmuck, keine Schönheit, von "Geist" ganz zu schweigen, kann ihr diese Eigenschaft ersetzen, und die erstaunte Frage: warum bekommt dieses Mädchen, das doch alle diese Vorzüge hat, keinen Mann, dagegen jenes andere, das so kümmerlich und bescheiden ist... ? löst sich durch die Kenntnis des unbewußten Mechanismus der Gattenwahl auf. Nun ist es die schlimmste und verwerflichste Herzlosigkeit des bisherigen Weibes, diese reine Glückssache, - die sie auch selbst als solche ganz richtig empfindet - sich als Tugend auszulegen, und dies die anderen Frauen, die "nur" zur freien Liebe kommen, fühlen zu lassen. Sie ist das "sittliche" Weib und jene das verworfene. Die liberalisierenden Milderungen der Moderne, die "gemäßigte" Mutterschutzbewegung ändert an diesem moralischen Fehlurteil nichts. Es bleibt dabei, daß die bürgerliche Ehefrau sich erlogene Verdienste in die Tasche steckt auf Kosten ihrer Mitfrauen.
Wenn demnach der Deutsche Bund gegen die Frauenemanzipation mit schlechtverstecktem Mißmut die Liebeserfolge der freiliebenden Frauen endgiltig niederhalten will, so ist dies nichts weiter, als schlimmste Gynäkokratie. Und wenn dies gar, wie es tatsächlich der Fall ist, durch den Mund von Frauen geschieht, so steigt die Bedenklichkeit dieses Verfahrens ins Groteske. Unter dem idyllischen Bilde des Familienlebens, das vorgeblich des Schutzes bedarf, betreiben herzlose Frauen ihre Propaganda gegen das eigene Geschlecht. Man sieht an diesem Beispiel wieder einmal, daß die Inanspruchnahme des Allerwelt-Klebstoffes "Gemüt" und die Verherrlichung des bürgerlichen Gartenlaubendaseins nicht ausreicht, um die Besitzer vor unverfälschten Gefühlsroheiten zu schützen, - die noch dazu von den vorgeblichen Beschützerinnen des Gemütes gegenüber dem Verstande herkommen.-
Wir meinen, daß die geistige Lösung des Problems freie Liebe - Ehe dem Fortschritt bisher noch nirgends gelungen ist. Es gehört mehr dazu, als für die Freiheit zu schwärmen, um Gesetzgeber in oberster Instanz zu sein. Wir meinen aber, daß der Fortschritt hier mehr Recht hat, als die konservative Gesinnung. Wir meinen nämlich so: es ist für das Wesen der Liebe völlig gleichgiltig, in welcher sexuellen Form sie sich äußert. Die Gesamtheit aller in das Sexualgebiet gehörender Betätigungsformen von den zartesten bis zu den gröbsten, sind nur die psychologischen oder physiologischen Ausdrücke der Liebe und erschöpfen sie selbst keineswegs. Liebe ist ein durchaus selbständiger Akt von einem Menschen zum andern. Wenn ein Mensch einen andern liebt, so reißt er ihn aus allen Beziehungen zu irgend welchen sonst vorhandenen Werten heraus, und bejaht ihn abgesehen davon in vollkommener Selbstherrlichkeit. Dies ist das eigentlich große und menschliche Wesen der Liebe, die mit keiner Tierverkuppelung verglichen werden kann. Es ist ein grandioser Akt, antinomisch bis zum Exzeß und unbegründbar wie alles wahrhaft Große. Der Mensch, welcher liebt, handelt nicht mehr als psychologisches Geschöpf im Rahmen der Reize, sondern autonom nach dem Gesetz des Eros. Man kann die Liebe verwerfen - Anlaß genug gibt ihre Struktur dazu - dann aber muß man es in jeder Form tun und darf keine Rücksicht auf das Aussterben der Menschheit nehmen; bejaht man sie aber, dann gibt es wiederum kein Feilschen und Handeln mit bürgerlichen Scheinwerten, sondern die einzige Einstellung zu ihr ist die Forderung ihrer Unantastbarkeit.
Dies wahrlich nicht um der Brünste willen. Denn ob uns gleich die Kokotte mehr Hoffnung, mehr Schönheit und Menschentum enthält, als die bürgerliche Jungfer, so verschwenden wir doch keine Zeile und keine Tat um Brunstbefreiung. Es gilt weit mehr. Und ob in jenem neuen Gelten nicht viel härtere Gesetze wirken, mehr Zucht und Beherrschtheit, das kann heute noch niemand wissen.
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